Mittwoch, 14. Mai 2014

Bunte Wirtschaft

Lesbisch/Schwul und UnternehmerIn? Das gibt es und zwar gar nicht mal so selten. 

Thomas Köllen / WU Wien - BILD: Thomas Köllen

Erstmals beschäftigte sich eine Studie mit homosexuellen UnternehmerInnen in Wien. Was treibt sie an und welche Hürden begegnen ihnen im Alltag?
Schätzungsweise 10 Prozent der österreichischen UnternehmerInnen sind lesbisch oder schwul. Mehr als hundert von ihnen aus dem Großraum Wien wurden von einem Team der Wirtschaftsuniversität Wien befragt. Warum sie sich zur Unternehmensgründung entschlossen und welchen Erfahrungen sie seitdem gemacht haben. Die Studie zeigt, nicht-hetero zu sein, macht auch im selbstbestimmten Erwerbsleben einen Unterschied. Wir sprachen mit Thomas Köllen aus dem AutorInnen-Team der Studie über ihre Ergebnisse.

Was sind die Unterschiede zwischen hetero- und homosexuellen UnternehmerInnen?
Es gibt Unterschiede, aber es gibt allgemein keine riesigen Unterschiede. Das war auch unsere Ausgangsthese, die wir im Rahmen der Studie belegen konnten. In einzelnen Aspekten gibt es aber Abweichungen. Ein solcher ist zum Beispiel die Gründungsmotivation.

Welche Motive gibt es da?
Einerseits geht es natürlich bei allen Menschen, die ein Unternehmen gründen darum, das eigene wirtschaftliche Überleben zu sichern und eine neue Herausforderung zu suchen. Dieser Wunsch ist unter Homo- und Heterosexuellen ähnlich stark ausgeprägt und auch ausschlaggebend für die Unternehmensgründung.

Und andererseits?
Viele Schwule und Lesben haben vor der Selbständigkeit Diskriminierungserfahrungen die eigene Sexualität betreffend gemacht. Denen will man durch die Selbständigkeit entkommen. Also der Wunsch, rauszugehen aus einem homophoben Arbeitsumfeld und sich seine eigene Umgebung zu schaffen. Den gibt es bei heterosexuellen UnternehmerInnen so natürlich nicht. Lesben und Schwule arbeiten daher auch deutlich häufiger selbstständig als Heteros.

Mit der Selbständigkeit verschwindet dann auch die Angst vor Diskriminierung?
Zumindest in Bezug auf die Belegschaft trifft das  zu. Wenn man Leute einstellt, dann kann man von Anfang mit offenen Karten spielen. Das wird von den meisten auch getan, um entscheiden zu können, ob man die Person, die man zum Vorstellungsgespräch gebeten hat, dann wirklich einstellen will. Damit lässt sich schon mal verhindern, im eigenen Unternehmen einem homophoben Umfeld ausgesetzt zu sein.

Nach außen hin ist das aber wahrscheinlich nicht so einfach möglich? Stichwort: KundInnen.
Wie offen bin ich mit meiner Homosexualität gegenüber Menschen, die ich für mein Produkt oder meine Dienstleistung anwerben möchte? Da ist es in der Regel so, dass die meisten eine zweigleisige Strategie fahren. Nur die wenigsten sind immer direkt und offen. Die meisten selektieren und überlegen, wem sie was erzählen. Das gilt besonders dann, wenn sie das Gegenüber nicht in Hinsicht auf dessen sexuelle Orientierung einschätzen können. Sie lassen dann erst im Laufe des Gesprächs subtile Bemerkungen fallen, um das abzuklären.

Die sexuelle Orientierung des Anbieters / der Anbieterin eines Produkts oder einer Dienstleistung ist also für viele KundInnen relevant?
Im Geschäftsbetrieb gibt es die konkrete Angst, dass es einen zum Nachteil ausgelegt werden könnte, schwul oder lesbisch zu sein und man dann gewisse Aufträge eben nicht bekommen würde. Wenn man sich das theoretisch überlegt, heißt das, dass es von vielen KundInnen noch immer als Defizit aufgefasst werden könnte, homosexuell zu sein. Ansonsten würden sich homosexuelle UnternehmerInnen diese Frage ja gar nicht stellen. Während man also im Innern eines Unternehmens für ein homophobiefreies Umfeld sorgen kann, ist das in den Außenbeziehungen nicht möglich. 

Sich trotz möglicher Nachteile offen zu zeigen, hat dann wohl auch eine symbolische Dimension?
Wenn schwule und lesbische UnternehmerInnen sich dazu entschließen, offen zu sein, auch im Kundenkontakt, dann ist der stärkste Antrieb jener, ein politisches Zeichen zu setzen. Sich nicht unterkriegen zu lassen und Veränderungswillen zu verkörpern.

Entspringt das dem Wunsch nach einer größeren Sichtbarkeit lesbischer und schwuler Unternehmen?
Die meisten Befragten haben der Aussage zugestimmt, dass es keine Rollenvorbilder gibt - also keine Leute, die ein Unternehmen gegründet haben, gesellschaftlich bekannt sind und offen schwul oder lesbisch leben. Wenn man sich anschaut, wer in den Medien zu Wort kommt, dann sieht man auch, dass das leider stimmt und es tatsächlich kaum solche Rollenvorbilder gibt.


Erschienen als Mediaplanet Beilage „Queer Life“ im Standard und hier.