Im Sommer letzten Jahres ließ Papst Franziskus mit seinen Aussagen zu Homosexualität aufhorchen. Große Neuerungen blieben aber aus. Wir sprachen mit Andreas Raschke, Vorstandsmitglied des Vereins Homosexuelle und Glaube über Putin, Papst und Priester. Homosexuelle und Glaube ist ein eigenständiger Verein, der sich seit mehr als 20 Jahren für die Gleichberechtigung von LGBT-Personen in Glaubensgemeinschaften einsetzt.
| Andreas Raschke - HuG- Wien, Homosexuelle und Glaube, Ökumenische Arbeitsgruppe - BILD: Andreas Raschke |
Homosexualität ist in
Ordnung, wenn sie nicht praktiziert wird. Das hat sich auch unter Papst
Franziskus nicht geändert.
Ich würde das noch ein bisschen zuspitzen und sagen: Solange
sie nicht publik wird. Die homosexuelle Handlung an sich wird im katholischen
Katechismus als Sünde betrachtet, die homosexuelle Neigung als ungeordnet. Das
ist natürlich eine negative Sicht, wird aber in der Praxis oft nicht so
gehandhabt. Neu ist unter Franziskus, dass der Status quo eine Rückendeckung
von oben hat. Die Verantwortlichen in der Kirche dürfen nun aus pastoraler
Sicht entscheiden.
Ist der Leidensdruck
unter gläubigen Homosexuellen besonders hoch? Zu wissen, dass die Religion, an
die ich glaube, und die Glaubensgemeinschaft, der ich angehöre, mich nicht so
akzeptiert, wie ich bin?
Auch Heteros haben nicht zu allem, was sie tun, den Sanktus
ihrer Religionsgemeinschaft. Vorehelicher Sex zum Beispiel ist ja nach
katholischer Lehre auch nicht erlaubt. Tatsächlich hängt die Akzeptanz sehr
stark von der jeweiligen Pfarre ab. In manchen können sich Menschen auch in
einer Beziehung lebend gut aufgehoben fühlen. Im Hinterkopf ist dabei aber schon
noch immer die Angst, dass das nicht klappt. Eine Konsequenz davon ist, dass
viele Menschen aus der Kirche austreten.
Es gibt aber auch
praktizierende Katholiken in eurer Gruppe?
Einige unserer Mitglieder sind auch selbst Priester oder
Ordensleute, die für sich einen Weg gefunden haben. In manchen Orden wird das
akzeptiert, wenn auch nicht offiziell, aber den Leuten werden da keine Steine
in den Weg gelegt. In anderen Kirchen ist die Situation anders. In den
evangelischen ist es offiziell möglich, dass ein Pfarrerpaar mit Zustimmung der
Gemeinde im Pfarrhaus lebt. In sehr konservativen evangelischen Gemeinden würde
sich ein offen lebender homosexueller Pfarrer aber auch nie bewerben.
Im Alten Testament
gibt es vier, im Neuen Testament drei Passagen, die sich mit Homosexualität
beschäftigen. Im Koran eigentlich gar keine. Die homophoben Haltungen können
also nur schwerlich mit den religiösen Texten begründet werden.
Ich habe das Gefühl, dass in Krisenzeiten dogmatische
Positionen an Zulauf gewinnen. Das gilt auch für die Religion. Eine offene
Religion, die nicht in allen Punkten Sicherheiten bietet und eigenes Denken
verlangt, ist natürlich in Krisenzeiten weniger attraktiv, weil sie keine
einfachen Sicherheiten offeriert. Ich denke, wenn in Russland die ökonomische
Situation besser wäre, würde diese unheilige Allianz zwischen Putin und der
Orthodoxen Kirche schwächer sein und es wären weniger restriktive Maßnahmen
gegen LGBT-Personen möglich.
Das ist
wahrscheinlich ein Phänomen, das nicht neu ist?
Ja, das galt sicher auch für das Osmanische Reich und den
Islam. In manchen Bereichen ist dort das, was wir hier unter Aufklärung
verstehen, schon im Mittelalter passiert. Im Zuge der spanischen Reconquista
und der Kreuzzüge gewannen dann aber wieder die konservativen Strömungen an
Bedeutung. Es gab also schon mal eine liberalere Phase. Im Moment ist
Homosexualität im Islam und in der islamischen Glaubensgemeinschaft in
Österreich praktisch nicht akzeptiert.
Wäre es nicht auch
denkbar, ein anderes Fundament für die Sexualethik heranzuziehen als diese
alten und ja immer auch kontextgebundenen Texte?
Ein anderes Fundament ist schwierig. Der Text gibt den Sinn
und Inhalt einer Religion wieder, ist aber auch Ausdruck des kulturellen
Kontexts, in dem er entstanden ist. Man kann versuchen, diesen kulturellen
Entstehungskontext vom Kern einer Religion zu lösen. Vor allem in den
reformierten Kirchen gibt es Theologen, die das machen. Zum Beispiel Kurt
Lüthi. Er bezeichnete Homosexualität als eine Schöpfungsvariante. In der
Schöpfung ist beides vorhanden – Homosexualität und Heterosexualität – und die
Schöpfung ist gut. Mit dem, was in ihr vorhanden ist, muss man umgehen, nicht
es grundsätzlich ablehnen. Diese Überlegung gefällt mir sehr gut.
Erschienen als Mediaplanet Beilage „Queer Life“ im Standard und
hier.