Mittwoch, 14. Mai 2014

Hirtenstab und Regenbogen


Im Sommer letzten Jahres ließ Papst Franziskus mit seinen Aussagen zu Homosexualität aufhorchen. Große Neuerungen blieben aber aus. Wir sprachen mit Andreas Raschke, Vorstandsmitglied des Vereins Homosexuelle und Glaube über Putin, Papst und Priester. Homosexuelle und Glaube ist ein eigenständiger Verein, der sich seit mehr als 20 Jahren für die Gleichberechtigung von LGBT-Personen in Glaubensgemeinschaften einsetzt.

Andreas Raschke - HuG- Wien, Homosexuelle und Glaube, Ökumenische Arbeitsgruppe - BILD: Andreas Raschke

Homosexualität ist in Ordnung, wenn sie nicht praktiziert wird. Das hat sich auch unter Papst Franziskus nicht geändert.
Ich würde das noch ein bisschen zuspitzen und sagen: Solange sie nicht publik wird. Die homosexuelle Handlung an sich wird im katholischen Katechismus als Sünde betrachtet, die homosexuelle Neigung als ungeordnet. Das ist natürlich eine negative Sicht, wird aber in der Praxis oft nicht so gehandhabt. Neu ist unter Franziskus, dass der Status quo eine Rückendeckung von oben hat. Die Verantwortlichen in der Kirche dürfen nun aus pastoraler Sicht entscheiden.

Ist der Leidensdruck unter gläubigen Homosexuellen besonders hoch? Zu wissen, dass die Religion, an die ich glaube, und die Glaubensgemeinschaft, der ich angehöre, mich nicht so akzeptiert, wie ich bin?
Auch Heteros haben nicht zu allem, was sie tun, den Sanktus ihrer Religionsgemeinschaft. Vorehelicher Sex zum Beispiel ist ja nach katholischer Lehre auch nicht erlaubt. Tatsächlich hängt die Akzeptanz sehr stark von der jeweiligen Pfarre ab. In manchen können sich Menschen auch in einer Beziehung lebend gut aufgehoben fühlen. Im Hinterkopf ist dabei aber schon noch immer die Angst, dass das nicht klappt. Eine Konsequenz davon ist, dass viele Menschen aus der Kirche austreten.

Es gibt aber auch praktizierende Katholiken in eurer Gruppe?
Einige unserer Mitglieder sind auch selbst Priester oder Ordensleute, die für sich einen Weg gefunden haben. In manchen Orden wird das akzeptiert, wenn auch nicht offiziell, aber den Leuten werden da keine Steine in den Weg gelegt. In anderen Kirchen ist die Situation anders. In den evangelischen ist es offiziell möglich, dass ein Pfarrerpaar mit Zustimmung der Gemeinde im Pfarrhaus lebt. In sehr konservativen evangelischen Gemeinden würde sich ein offen lebender homosexueller Pfarrer aber auch nie bewerben.

Im Alten Testament gibt es vier, im Neuen Testament drei Passagen, die sich mit Homosexualität beschäftigen. Im Koran eigentlich gar keine. Die homophoben Haltungen können also nur schwerlich mit den religiösen Texten begründet werden.
Ich habe das Gefühl, dass in Krisenzeiten dogmatische Positionen an Zulauf gewinnen. Das gilt auch für die Religion. Eine offene Religion, die nicht in allen Punkten Sicherheiten bietet und eigenes Denken verlangt, ist natürlich in Krisenzeiten weniger attraktiv, weil sie keine einfachen Sicherheiten offeriert. Ich denke, wenn in Russland die ökonomische Situation besser wäre, würde diese unheilige Allianz zwischen Putin und der Orthodoxen Kirche schwächer sein und es wären weniger restriktive Maßnahmen gegen LGBT-Personen möglich.

Das ist wahrscheinlich ein Phänomen, das nicht neu ist?
Ja, das galt sicher auch für das Osmanische Reich und den Islam. In manchen Bereichen ist dort das, was wir hier unter Aufklärung verstehen, schon im Mittelalter passiert. Im Zuge der spanischen Reconquista und der Kreuzzüge gewannen dann aber wieder die konservativen Strömungen an Bedeutung. Es gab also schon mal eine liberalere Phase. Im Moment ist Homosexualität im Islam und in der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich praktisch nicht akzeptiert.

Wäre es nicht auch denkbar, ein anderes Fundament für die Sexualethik heranzuziehen als diese alten und ja immer auch kontextgebundenen Texte?
Ein anderes Fundament ist schwierig. Der Text gibt den Sinn und Inhalt einer Religion wieder, ist aber auch Ausdruck des kulturellen Kontexts, in dem er entstanden ist. Man kann versuchen, diesen kulturellen Entstehungskontext vom Kern einer Religion zu lösen. Vor allem in den reformierten Kirchen gibt es Theologen, die das machen. Zum Beispiel Kurt Lüthi. Er bezeichnete Homosexualität als eine Schöpfungsvariante. In der Schöpfung ist beides vorhanden – Homosexualität und Heterosexualität – und die Schöpfung ist gut. Mit dem, was in ihr vorhanden ist, muss man umgehen, nicht es grundsätzlich ablehnen. Diese Überlegung gefällt mir sehr gut.

Erschienen als Mediaplanet Beilage „Queer Life“ im Standard und hier.