Dass LGBT-Menschen nachwie vor negative Erfahrungen im Alltag machen,
belegt eine im letzten Jahr präsentierte Studie. Die österreichische
Gesetzeslage zum Schutz dieser Menschen vor Diskriminierung hat sich
aber nach wie vor nicht verbessert.
| Wolfgang Wilhelm BILD: Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen |
„Allein schon, dass es sie gibt, ist erfreulich. Mit 93.000
Befragten ist es die größte jemals durchgeführte Studie zum Thema
Diskriminierung von LGBT-Menschen“, sagt Wolfgang Wilhelm von der Wiener
Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender
Lebensweisen (WASt) über die europaweite Studie der Agentur der Europäischen
Union für Grundrechte. „Sie hat ein
Bewusstsein dafür geschaffen, dass noch vieles im Argen liegt und damit auch
einen Auftrag formuliert“, kommentiert er die Ergebnisse der Studie.
Dass LGBT-Menschen nachwie vor negative Erfahrungen im
Alltag machen, belegt eine im letzten Jahr präsentierte Studie. Die
österreichische Gesetzeslage zum Schutz dieser Menschen vor Diskriminierung hat
sich aber nach wie vor nicht verbessert.
Österreich im Mittelfeld
Europaweit geben etwa die Hälfte der Befragten an, im
Vorjahr der Umfrage aufgrund ihrer Sexualität diskriminiert oder belästigt
worden zu sein. Besonders stark betroffen sind davon lesbische Frauen, junge
und einkommensschwache Menschen. Österreich liegt dabei nicht nur geographisch,
sondern auch bei den Ergebnissen in der Mitte Europas. Wilhelm spricht von
einem Nord-Süd und einem Ost-West Gefälle bei der Rechtslage und den konkreten
Lebensbedingungen von LGBT-Personen. „Die nördlichen und westlichen EU-Staaten
bemühen sich schon länger und intensiver um den Schutz von LGBT-Personen. In
Österreich hat diese Entwicklung verspätet eingesetzt, zudem haben die
einzelnen Länder Europas eine sehr unterschiedliche Demokratiegeschichte“, sagt
er.
Diskriminierung am Arbeitsplatz
Auch der Arbeitsplatz ist von Benachteiligungen nicht
ausgenommen. Ein Fünftel gab an, sich am Arbeitsplatz oder bei der Arbeitssuche
diskriminiert gefühlt zu haben, bei Menschen, die sich als Transgender
beschreiben, sogar ein Drittel.
Zwei Drittel aller Befragten berichten von negativen
Kommentaren oder negativer Behandlung gegenüber LGBT-Personen am Arbeitsplatz.
Nur jede/r fünfte gab an, am Arbeitsplatz oder in der Schule offen mit der
eigenen sexuellen Orientierung umzugehen. Die Zahlen legen auch nahe, dass der
Druck auf bi- oder homosexuelle Männer besonders groß ist – sie verschweigen
ihre sexuelle Ausrichtung besonders häufig. Obwohl Diskriminierung am
Arbeitsplatz hierzulande gesetzlich verboten ist, liegt Österreich auch hier
nur im Mittelfeld.
Brennpunkt Schule
Dieser Normalitätsdruck setzt bereits in der Schule ein und
ist dort sogar noch stärker ausgeprägt. Der Studie folgend geben zwei Drittel
der Befragten an, während ihrer Schulzeit bis zum Alter von 18 Jahren ihre
sexuelle Ausrichtung versteckt zu haben. Sechs von zehn erfuhren negative
Behandlungen aufgrund ihrer gleichgeschlechtlichen Orientierung. „Das
Heranwachsen ist eine Phase der Identitätssuche, in der der Zwang „normal“,
also hetero zu sein, besonders groß ist“, sagt Wilhelm.
Eine Studie über Österreich zeigt etwa, dass homosexuelle im
Vergleich zu heterosexuellen Jugendlichen ein siebenfach erhöhtes
Selbstmordrisiko aufweisen. Wilhelm hält dazu fest: „Die Pubertät ist für
keinen Jugendlichen leicht. Wenn sie dann auch noch feststellen, dass sie
schwul oder lesbisch sind und oft hören, dass das schlecht sei, kann es schnell
eng werden. Vor allem dann, wenn man Eltern hat, die das nicht wissen oder
akzeptieren und es keine Möglichkeit für offene Gespräche gibt.“ In den Schulen
für ein von Akzeptanz geprägtes Umfeld zu sorgen und Gesprächsmöglichkeiten in
Notsituationen zu schaffen, ist daher auch im Moment eines der Hauptanliegen
der WASt.
Gewalterfahrung und Sicherheitsgefühl
Diskriminierung, egal wo sie stattfindet, bereitet den Boden
für Gewalt an LGBT-Personen. Ein Viertel aller Befragten gab an, im Verlauf
eines Jahres mit Gewalt bedroht oder tatsächlich angegriffen worden zu sein.
Dabei erstattet nicht einmal jedes fünfte Opfer Anzeige. Diese Erfahrungen
schaffen ein Gefühl der Unsicherheit: Zwei Drittel der Befragten vermeiden es,
in der Öffentlichkeit mit gleichgeschlechtlichen Partner-Innen Händchen zu
halten. Die Hälfte der Befragten nimmt aus Angst vor Übergriffen Abstand davon,
spezifische öffentliche Plätze aufzusuchen. Das gilt insbesondere für
bisexuelle und schwule Männer. Noch fehlt in Österreich ein entsprechendes
Bundesgesetz, um LGBT-Personen vor Hassverbrechen zu schützen und diese
statistisch zu erfassen. Der bundesrechtliche Schutz vor Diskriminierung ist
auf den Bereich Beschäftigung und Beruf beschränkt. Lesben und Schwule in einem
Lokal nicht zu bedienen oder hinauszuwerfen, ist daher nicht verboten. Klingt
weit hergeholt? Fast jede/r Fünfte gab an, innerhalb eines Jahres in einem
österreichischen Gastronomiebetrieb diskriminiert worden zu sein.
Erschienen als Mediaplanet Beilage „Queer Life“ im Standard und
hier.