Homophobie ist noch
immer hoffähig im Fußball, während sich in anderen Gesellschaftsbereichen eine
Normalisierung abzeichnet. Doch auch im Fußball gibt es eine nach-holende
Entwicklung.
| Georg Spitaler - Universität Wien. BILD: Georg Spitaler |
„Ivo, jetzt bist du ein echter Österreicher“ titelte die
Kronenzeitung nachdem der in Kroatien geborene Ivica Vastic bei der Fußball-WM
1998 den Ausgleichstreffer zum 1:1 Endstand gegen Chile erzielte. Die
Schlagzeile ist Ausdruck der Idee, Sport und sportliche Leistungen als
Integrationsinstrument für MigrantInnen
zu betrachten. Diese Überlegung ist nicht unstrittig, schafft Sport doch auch
Rivalitäten. Bisweilen ist auch unklar, wer sich worin integrieren soll und was
das dann heißen soll. Sport und Fankultur haben einen merkwürdigen
Doppelcharakter: sie schaffen Zugehörigkeiten, können aber genauso gut zum
Ausschluss von Menschen führen, die als „anders“ wahrgenommen werden.
Druck zur Konformität
Im Fall von Homosexualität scheint dieser
Ausschlussmechanismus so mächtig zu sein, dass viele Menschen und vor allem
Männer es nicht riskieren wollen, als nicht normal wahrgenommen zu werden. Die
eigene Sexualität lässt sich auch leichter verstecken, als die vermeintliche
ethnische Zugehörigkeit oder Herkunft. Auffällig ist aber, dass Homophobie vor
allem Mannschaftssportarten und Männer betrifft. Dort, wo AthletInnen auf sich
allein gestellt sind, ist Homosexualität genauso weitgehend unproblematisch wie
bei Frauen-Teams.
„Die oft unterstellte Selbstverständlichkeit von
Homosexualität im Frauenfußball ist dabei im Übrigen nicht unbedingt
befreiender, sondern nur auf andere Weise einschränkender“, schrieb Nicole
Selmer jüngst im Ballesterer. Um das „Mannweiber-Klischee“ zu widerlegen,
posierten Spielerinnen der deutschen Bundesliga anlässlich der Frauen-Fußball
WM für den Playboy. Kristina Gessat, eine der Spielerinnen, erklärte dazu: „Die
Botschaft ist: Seht her, wir sind ganz normale - und hübsche – Mädels.“ Ein
Outing andersherum, nämlich als „hetero“ quasi.
Richtige Kerle
Outings von homosexuellen Spielern sind noch immer die
Ausnahme. Gerade in Nationalsportarten sind diese schwierig, da sie immer eng
mit Vorstellungen von Männlichkeit verbunden sind. Die Männlichkeit, die im
Fußball gefeiert wird, ist eine, die nicht einmal gesellschaftlich dominant
ist: vorherrschende Vorstellungen von Männlichkeit bis zur Wirtschaftskrise
stark mit dem Typus des Managers verknüpft. Männer, wie man sie eher in den
Vorstandsetagen der Fußballvereine findet.
„Die Männlichkeit, die im Stadion zelebriert wird, findet
sich auf dem Rasen wieder und entspricht mehr einer
Working-Class-Männlichkeit“, erklärt Georg Spitaler, Politikwissenschaftler an
der Uni Wien und setzt fort: „In vielen Ländern ist es nach wie vor so, dass
Fußball ein Sport ist, der es unterschiedlichsten Männern ermöglicht, sich
selber männlich zu machen – egal, wie sie selber aussehen oder welche soziale
Stellung sie haben. Wenn du zum Fußball gehst und dich als Fußball-Fan outest,
dann stellt von vornherein niemand deine Männlichkeit in Frage.“
„Schwul“ heißt nicht
männlich
Um genau dieses Behaupten von Männlichkeit geht es, wenn
Spieler oder Fans der gegnerischen Mannschaft oder auch die Schiedsrichter als
„schwul“ bezeichnet und ihnen diese Männlichkeit abgesprochen wird. „Schwul“
dient in diesem Kontext als Metapher für nicht stark, für nicht männlich.
Ironischerweise erlaubt Fußball auch sehr viele „unmännliche“ Verhaltensweisen.
Die Geschichte des Fußballs ist eine von weinenden Männern, von Männern, die
aufeinanderliegen, sich innig umarmen. Die Ironie darin bleibt aber oft
unerkannt. Sport schafft einen Rahmen,
um geschlechterspezifisch „unangebrachte“ Verhaltensweisen auszuleben, bleibt
in deren Bewertung aber ambivalent. Spitaler glaubt aber, dass sich diese
Männlichkeitsbilder allmählich verändern: „Fußball ist Teil einer globalen
Unterhaltungskultur, in der in anderen Bereichen bereits aufgeklärtere
Männlichkeitsbilder kommuniziert werden.“
Glasnost in der Kurve
Diese Bewegung scheint tatsächlich an Fahrt aufzunehmen. Ob
dazu die Coming-outs prominenter Spieler wirklich viel beitragen oder einfach
nur eine Form der Sensationslust bedienen, lässt sich schwer sagen. Im
Zweifelsfall wohl beides. Es zeigt aber auch, dass die Arbeit von Vereinen und
vor allem progressiven Fangruppen, die unermüdlich gegen Rassismus und
Homophobie auftreten, allmählich Früchte trägt. Auch die nationalen Verbände
bemühen sich um eine Normalisierung und ein diskriminierungsfreies Klima. So
schickte der niederländische Fußballverband ein eigenes Boot, angeführt von
Teamchef Louis van Gaal, zur Gay Pride Parade
Amsterdam. Es bleibt abzuwarten, wann die ersten österreichischen Kicker
an der Regenbogenparade teilnehmen werden.
Erschienen als Mediaplanet Beilage „Queer Life“ im Standard und
hier.