Mittwoch, 14. Mai 2014

Love Football, Hate Homophobia!


Homophobie ist noch immer hoffähig im Fußball, während sich in anderen Gesellschaftsbereichen eine Normalisierung abzeichnet. Doch auch im Fußball gibt es eine nach-holende Entwicklung.
 
Georg Spitaler - Universität Wien. BILD: Georg Spitaler

„Ivo, jetzt bist du ein echter Österreicher“ titelte die Kronenzeitung nachdem der in Kroatien geborene Ivica Vastic bei der Fußball-WM 1998 den Ausgleichstreffer zum 1:1 Endstand gegen Chile erzielte. Die Schlagzeile ist Ausdruck der Idee, Sport und sportliche Leistungen als Integrationsinstrument  für MigrantInnen zu betrachten. Diese Überlegung ist nicht unstrittig, schafft Sport doch auch Rivalitäten. Bisweilen ist auch unklar, wer sich worin integrieren soll und was das dann heißen soll. Sport und Fankultur haben einen merkwürdigen Doppelcharakter: sie schaffen Zugehörigkeiten, können aber genauso gut zum Ausschluss von Menschen führen, die als „anders“ wahrgenommen werden.

Druck zur Konformität
Im Fall von Homosexualität scheint dieser Ausschlussmechanismus so mächtig zu sein, dass viele Menschen und vor allem Männer es nicht riskieren wollen, als nicht normal wahrgenommen zu werden. Die eigene Sexualität lässt sich auch leichter verstecken, als die vermeintliche ethnische Zugehörigkeit oder Herkunft. Auffällig ist aber, dass Homophobie vor allem Mannschaftssportarten und Männer betrifft. Dort, wo AthletInnen auf sich allein gestellt sind, ist Homosexualität genauso weitgehend unproblematisch wie bei Frauen-Teams.
„Die oft unterstellte Selbstverständlichkeit von Homosexualität im Frauenfußball ist dabei im Übrigen nicht unbedingt befreiender, sondern nur auf andere Weise einschränkender“, schrieb Nicole Selmer jüngst im Ballesterer. Um das „Mannweiber-Klischee“ zu widerlegen, posierten Spielerinnen der deutschen Bundesliga anlässlich der Frauen-Fußball WM für den Playboy. Kristina Gessat, eine der Spielerinnen, erklärte dazu: „Die Botschaft ist: Seht her, wir sind ganz normale - und hübsche – Mädels.“ Ein Outing andersherum, nämlich als „hetero“ quasi.

Richtige Kerle
Outings von homosexuellen Spielern sind noch immer die Ausnahme. Gerade in Nationalsportarten sind diese schwierig, da sie immer eng mit Vorstellungen von Männlichkeit verbunden sind. Die Männlichkeit, die im Fußball gefeiert wird, ist eine, die nicht einmal gesellschaftlich dominant ist: vorherrschende Vorstellungen von Männlichkeit bis zur Wirtschaftskrise stark mit dem Typus des Managers verknüpft. Männer, wie man sie eher in den Vorstandsetagen der Fußballvereine findet.
„Die Männlichkeit, die im Stadion zelebriert wird, findet sich auf dem Rasen wieder und entspricht mehr einer Working-Class-Männlichkeit“, erklärt Georg Spitaler, Politikwissenschaftler an der Uni Wien und setzt fort: „In vielen Ländern ist es nach wie vor so, dass Fußball ein Sport ist, der es unterschiedlichsten Männern ermöglicht, sich selber männlich zu machen – egal, wie sie selber aussehen oder welche soziale Stellung sie haben. Wenn du zum Fußball gehst und dich als Fußball-Fan outest, dann stellt von vornherein niemand deine Männlichkeit in Frage.“

„Schwul“ heißt nicht männlich
Um genau dieses Behaupten von Männlichkeit geht es, wenn Spieler oder Fans der gegnerischen Mannschaft oder auch die Schiedsrichter als „schwul“ bezeichnet und ihnen diese Männlichkeit abgesprochen wird. „Schwul“ dient in diesem Kontext als Metapher für nicht stark, für nicht männlich. Ironischerweise erlaubt Fußball auch sehr viele „unmännliche“ Verhaltensweisen. Die Geschichte des Fußballs ist eine von weinenden Männern, von Männern, die aufeinanderliegen, sich innig umarmen. Die Ironie darin bleibt aber oft unerkannt.  Sport schafft einen Rahmen, um geschlechterspezifisch „unangebrachte“ Verhaltensweisen auszuleben, bleibt in deren Bewertung aber ambivalent. Spitaler glaubt aber, dass sich diese Männlichkeitsbilder allmählich verändern: „Fußball ist Teil einer globalen Unterhaltungskultur, in der in anderen Bereichen bereits aufgeklärtere Männlichkeitsbilder kommuniziert werden.“

Glasnost in der Kurve
Diese Bewegung scheint tatsächlich an Fahrt aufzunehmen. Ob dazu die Coming-outs prominenter Spieler wirklich viel beitragen oder einfach nur eine Form der Sensationslust bedienen, lässt sich schwer sagen. Im Zweifelsfall wohl beides. Es zeigt aber auch, dass die Arbeit von Vereinen und vor allem progressiven Fangruppen, die unermüdlich gegen Rassismus und Homophobie auftreten, allmählich Früchte trägt. Auch die nationalen Verbände bemühen sich um eine Normalisierung und ein diskriminierungsfreies Klima. So schickte der niederländische Fußballverband ein eigenes Boot, angeführt von Teamchef Louis van Gaal, zur Gay Pride Parade  Amsterdam. Es bleibt abzuwarten, wann die ersten österreichischen Kicker an der Regenbogenparade teilnehmen werden.

Erschienen als Mediaplanet Beilage „Queer Life“ im Standard und hier.

Hirtenstab und Regenbogen


Im Sommer letzten Jahres ließ Papst Franziskus mit seinen Aussagen zu Homosexualität aufhorchen. Große Neuerungen blieben aber aus. Wir sprachen mit Andreas Raschke, Vorstandsmitglied des Vereins Homosexuelle und Glaube über Putin, Papst und Priester. Homosexuelle und Glaube ist ein eigenständiger Verein, der sich seit mehr als 20 Jahren für die Gleichberechtigung von LGBT-Personen in Glaubensgemeinschaften einsetzt.

Andreas Raschke - HuG- Wien, Homosexuelle und Glaube, Ökumenische Arbeitsgruppe - BILD: Andreas Raschke

Homosexualität ist in Ordnung, wenn sie nicht praktiziert wird. Das hat sich auch unter Papst Franziskus nicht geändert.
Ich würde das noch ein bisschen zuspitzen und sagen: Solange sie nicht publik wird. Die homosexuelle Handlung an sich wird im katholischen Katechismus als Sünde betrachtet, die homosexuelle Neigung als ungeordnet. Das ist natürlich eine negative Sicht, wird aber in der Praxis oft nicht so gehandhabt. Neu ist unter Franziskus, dass der Status quo eine Rückendeckung von oben hat. Die Verantwortlichen in der Kirche dürfen nun aus pastoraler Sicht entscheiden.

Ist der Leidensdruck unter gläubigen Homosexuellen besonders hoch? Zu wissen, dass die Religion, an die ich glaube, und die Glaubensgemeinschaft, der ich angehöre, mich nicht so akzeptiert, wie ich bin?
Auch Heteros haben nicht zu allem, was sie tun, den Sanktus ihrer Religionsgemeinschaft. Vorehelicher Sex zum Beispiel ist ja nach katholischer Lehre auch nicht erlaubt. Tatsächlich hängt die Akzeptanz sehr stark von der jeweiligen Pfarre ab. In manchen können sich Menschen auch in einer Beziehung lebend gut aufgehoben fühlen. Im Hinterkopf ist dabei aber schon noch immer die Angst, dass das nicht klappt. Eine Konsequenz davon ist, dass viele Menschen aus der Kirche austreten.

Es gibt aber auch praktizierende Katholiken in eurer Gruppe?
Einige unserer Mitglieder sind auch selbst Priester oder Ordensleute, die für sich einen Weg gefunden haben. In manchen Orden wird das akzeptiert, wenn auch nicht offiziell, aber den Leuten werden da keine Steine in den Weg gelegt. In anderen Kirchen ist die Situation anders. In den evangelischen ist es offiziell möglich, dass ein Pfarrerpaar mit Zustimmung der Gemeinde im Pfarrhaus lebt. In sehr konservativen evangelischen Gemeinden würde sich ein offen lebender homosexueller Pfarrer aber auch nie bewerben.

Im Alten Testament gibt es vier, im Neuen Testament drei Passagen, die sich mit Homosexualität beschäftigen. Im Koran eigentlich gar keine. Die homophoben Haltungen können also nur schwerlich mit den religiösen Texten begründet werden.
Ich habe das Gefühl, dass in Krisenzeiten dogmatische Positionen an Zulauf gewinnen. Das gilt auch für die Religion. Eine offene Religion, die nicht in allen Punkten Sicherheiten bietet und eigenes Denken verlangt, ist natürlich in Krisenzeiten weniger attraktiv, weil sie keine einfachen Sicherheiten offeriert. Ich denke, wenn in Russland die ökonomische Situation besser wäre, würde diese unheilige Allianz zwischen Putin und der Orthodoxen Kirche schwächer sein und es wären weniger restriktive Maßnahmen gegen LGBT-Personen möglich.

Das ist wahrscheinlich ein Phänomen, das nicht neu ist?
Ja, das galt sicher auch für das Osmanische Reich und den Islam. In manchen Bereichen ist dort das, was wir hier unter Aufklärung verstehen, schon im Mittelalter passiert. Im Zuge der spanischen Reconquista und der Kreuzzüge gewannen dann aber wieder die konservativen Strömungen an Bedeutung. Es gab also schon mal eine liberalere Phase. Im Moment ist Homosexualität im Islam und in der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich praktisch nicht akzeptiert.

Wäre es nicht auch denkbar, ein anderes Fundament für die Sexualethik heranzuziehen als diese alten und ja immer auch kontextgebundenen Texte?
Ein anderes Fundament ist schwierig. Der Text gibt den Sinn und Inhalt einer Religion wieder, ist aber auch Ausdruck des kulturellen Kontexts, in dem er entstanden ist. Man kann versuchen, diesen kulturellen Entstehungskontext vom Kern einer Religion zu lösen. Vor allem in den reformierten Kirchen gibt es Theologen, die das machen. Zum Beispiel Kurt Lüthi. Er bezeichnete Homosexualität als eine Schöpfungsvariante. In der Schöpfung ist beides vorhanden – Homosexualität und Heterosexualität – und die Schöpfung ist gut. Mit dem, was in ihr vorhanden ist, muss man umgehen, nicht es grundsätzlich ablehnen. Diese Überlegung gefällt mir sehr gut.

Erschienen als Mediaplanet Beilage „Queer Life“ im Standard und hier.

Familie unter dem Regenbogen

Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern sind keine Neuheit. Ihre gestiegene Sichtbarkeit aber schon. Von alltäglicher Normalität und rechtlicher Gleichberechtigung ist man aber noch ein Stück weit entfernt.

Barbara Schlachter - Obfrau FAmOs Österreich BILD: Barbara Schlachter
„Eine Regenbogenfamilie ist für uns eine Familie in der sich mindestens ein Elternteil als lesbisch, schwul, bisexuell oder transgender definiert“, sagt Barbara Schlachter vom Verein Familien Andersrum Österreich (FAmOs). Oft sind das Konstellationen, in denen Kinder zwei Mamas oder zwei Papas, häufig auch zwei Mamas und einen Papa haben. Wie viele Regenbogenfamilien es mittlerweile gibt, lässt sich nicht genau sagen. Sie hält aber über den Verein Kontakt zu etwa 200 Familien in Österreich. Folgt man einer deutschen Studie wird jede dritte lesbische Frau Mutter, jeder fünfte schwule Mann Vater.
Anders als diese Zahl nahelegt, ist die Gründung einer Regenbogenfamilie nach wie vor mit einigen Hürden verbünden. Viele Familien entstehen so auch patchworkartig. Oft gibt es bereits Kinder, die aus Hetero-Beziehungen stammen. „Es gibt aber auch immer mehr Beziehungen, in die die Kinder hineingeboren werden“, sagt Barbara. Das mit dem Hineingeborenwerden ist aber nach wie vor nicht so einfach.

Familie mit Hindernissen
Das Verbot der künstlichen Befruchtung für gleichgeschlechtliche Paare wurde zwar dieses Jahr gekippt, einen gesetzlichen Rahmen für diese hat die Bundesregierung aber noch nicht geschaffen. Viele Frauen reisen nach wie vor ins Ausland, um sich dort in reproduktionsmedizinischen Kliniken befruchten zu lassen. Andere Paare greifen aber auch zu unkonventionellen Methoden wie etwa Heiminsemination. Dazu braucht es nicht viel mehr als einen Samenspender oder eben Samen von der Samenbank. „Viele Frauen suchen sich auch einen schwulen Bekannten oder Freund, mit dem sie gemeinsam eine Familie gründen. Konstellationen von zwei Frauen und einem Mann oder manchmal auch zwei Frauen und zwei Männern, die gemeinsam Kinder haben, sind nicht so selten“, erklärt Barbara weiter. Da das österreichische Gesetz aber nicht mehr als zwei Elternteile anerkennt, sollte man sich in solchen Konstellationen genau überlegen, wer welche Verantwortung wahrnehmen will. Daran ändert auch die Option der Stiefkind-Adoption, die gleichgeschlechtlichen Paaren überhaupt erst seit letztem Herbst möglich ist und eine gleichwertige Obsorge beider Elternteile ermöglicht, nichts.

Schwierige Familiengründung bei Schwulen
Anders als bei Hetero-Männern ist bei schwulen Männern nicht erst das Vatersein, sondern bereits das Vaterwerden herausfordernd. Schwule Paare, die Eltern werden möchten, haben weniger  Möglichkeiten als lesbische: Leihmutterschaft ist in Österreich prinzipiell verboten, ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare gibt es nach wie vor nicht. Aufgrund der geringen Anzahl von zur Adoption freigegebenen Kindern, könnte damit ohnehin nur dem Kinderwunsch weniger Paare nachgekommen werden. Viele Homosexuelle Männer oder Paare, die gerne ein Kind großziehen würden, gehen daher den Weg der Pflegeelternschaft. Diese ist neuerdings auch bundesweit allen gleichgeschlechtlichen Paaren möglich.

Leben unter dem Regenbogen
Hat man es erst einmal geschafft, eine Familie zu werden, wartet dann mit dem „Familie sein“ noch der größere Brocken. Vor allem Menschen, die nicht in Regenbogenfamilien leben oder groß geworden sind, scheinen da mehr Befürchtungen zu haben, als jene, die es tatsächlich betrifft: Die Gesellschaft sei noch nicht weit genug und die Kinder würden in der Schule gemobbt werden. „Wir haben bisher von den Mitgliedern unseres Vereins oder von den Familien, mit denen wir in Kontakt sind ganz selten irgendwelche Klagen gehört“, hält Barbara Schlachter fest und fügt hinzu: „Kinder werden nicht mehr gemobbt, weil sie zwei Mütter oder zwei Väter haben, als andere Kinder wegen anderen Dingen gemobbt werden.“

Schule und Kindergarten
Wenn Kinder aus Regenbogenfamilien sich in der Schule ungerecht behandelt fühlen, liegt das daran, dass ihre Familienform nicht thematisiert oder als „nicht normal“ dargestellt wird. „Da sollte man vielleicht drauf achten, dass Familienvielfalt in Schulbüchern Einzug hält. Es gibt noch viel zu wenig zum Thema“, sagt sie. Da die Situation aber auch für viele PädagogInnen neu ist, bietet FAmOs hier Hilfe  an. „Wir freuen uns sehr, dass wir im Rahmen der Fortbildungsprogramme für Kindergarten-PädagogInnen der Stadt Wien und der Kinderfreunde Wien im Herbst Seminare zum Thema anbieten dürfen“. In diesen wird gelehrt, wie man mit Kindern aus Regenbogenfamilien umgeht. „Nämlich ganz normal. Damit unsere Kinder normal aufwachsen können braucht es einfach nur Normalität. Das heißt, offen und altersgerecht mit dem Thema umzugehen.“ Denn, so Barbara Schlachter weiter: „Wenn man nur hinter vorgehaltener Hand über Homosexualität spricht, ist das auch für unsere Kinder nicht gut.“

Erschienen als Mediaplanet Beilage „Queer Life“ im Standard und hier.