Ein Albumtitel irgendwo zwischen gerecktem Mittelfinger, Faustschlag und dem ausgestrecktem Finger Gottes
- und ein Album, das genauso so klingt. SMZ präsentieren sich und auf
ihrem achten Release mit alten Tugenden und neuem Elan. Aggression und
Wut treten Depression und Trauer gleichrangig gegenüber.
| SMZ am Bluebird 2012. BILD: Armin Rudelstorfer |
“We live on the island called Montreal, and we make a lot of noise …
because we love each other!” Gesprochen wird diese am Anfang des Albums
platzierte Zeile von Ezra, dem vierjährigen Sohn der Bandmitglieder
Jessica Moss und Efrim Menuck. Man kann sich eigentlich kein besseres
Intro vorstellen, nicht weil Kinder sowieso süß sind, sondern weil es
bereits pointiert zusammenfasst, was in den nächsten knapp fünfzig
Minuten passieren wird.
„we live on the island called Montreal”
Selbst wenn Montreal geografisch korrekt nicht einmal eine Halbinsel
ist, musikalisch ist es die Stadt mit dem Ausnahmelabel Constellation
Records auf jeden Fall. Eine Insel der
Seligen ist es aber genauso viel oder wenig, wie andere Metropolen
auch. „Die Rolle von Kultur in Montreal unterscheidet sich vielleicht
nicht so sehr von der in anderen westlichen Großstädten. In Punkto
Widerstand war es dagegen immer ein Ort an dem es für die Menschen
einfach war ihren Unmut über die Art und Weise, wie die Dinge laufen,
auszudrücken“, sagt Efrim Menuck.
„we make a lot of noise“
Und ja, sie machen eine Menge Lärm. Seit den Anfängen http://youtu.be/0fg08Hjwdo0ist
der Sound mittlerweile rauer, gleichzeitig aber wärmer und emotional
ambivalenter geworden. „Es gab dieses langsame hinstolpern zu diesem
irgendwie verzerrten, freudvollen Lärm und es fühlt sich für mich so an,
als wären wir diesbezüglich an einem guten Ort angekommen. Wir sind
diesem Sound viele Jahre lang gefolgt und seit kurzem fühlt es sich so
an als wären wir nahe dran ihn zu finden.“
„because we love each other“
Tja, und dann noch das mit der Liebe. Das kann man ihnen einfach mal
glauben. Es ist vielleicht auch jener Punkt, der das aktuelle vom
letzten Album – „Kollaps Tradixionales“, 2010
– absetzt. Wie Menuck selbst andeutet, ist das Album persönlicher
ausgefallen: “Bevor ich ein Kind hatte, war es sehr leicht für mich
fatalistisch zu sein aber diese Verzweiflung ist nun Wut gewichen. “What
We Loved Was Not Enough” entstand aus dieser Position heraus - als ein
Vater”, sagt Menuck. Das findet auch musikalisch seinen Widerhall. Das
Album baut auf dem Vorgänger auf, ist aber Phasenweise heller und auch
aggressiver. Das mit der dritten Platte proklamierte Credo „This Is Our Punk-Rock“
schimmert diesmal besonders strahlend durch die verzerrten
Gitarrenwände, sozipolitischen Gewitterwolken und den erstickenden Nebel
der Geworfenheit, der unser Leben oftmals einhüllt.
Endzeitverstimmung
Auf die Zeilen von Ezra im Opener „Fuck Off Get Free (For The Island
Of Montreal)“ folgt nicht das typische, langsame Etablieren von Motiven,
sondern ein direkter Einstieg der gesamten Band in einen überraschend
selbstbewussten Track.
Die zentralen Motive des Albums sind Hoffnungslosigkeit und die
politische Anleitung zu dieser, die unsere Welt als die einzig mögliche
Alternative ausgibt. Besonders deutlich wird diese Überzeugung in dem
vierzehnminütigen Stück mit dem politisch hellhörigen Titel „Austerity Blues“ .
Dazu mischt sich als weiteres Motiv die Überzeugung, dass die
westliche Zivilisation drauf und dran ist sich zu zerstören: „There'll
be war in our cities / And riots at the mall / Blood on our doorsteps /
And panics at the ball / All our cities gonna burn / All our bridges
gonna snap / All our pennies gonna rot / Lightning roll across our
tracks / All our children gonna die”, heißt es etwa in “What We Want Was
Not Enough”. Nicht aber ohne vage versöhnlich zu schließen: “Tonight
is yours, the lights are yours / If you'd just ask for more than poverty
and war”.
Hoffnung und Hoffnungslosigkeit
Dieser textlichen Ambivalenz aus Hoffnung und ihrer Abwesenheit wird
mit einer musikalischen begegnet. Auch die Musik bewegt sich in einem
solchen Spannungsfeld aus Freude und Trauer und oft genug gelingt es sie
zu vereinen: Bittersüße Melodien und Motivwechsel sind die Mittel der
Wahl. Aber auch Text und Musik verhalten sich wechselseitig ambivalent,
unterstützen oder kontrastieren einander. Besonders deutlich wird das
etwas im Schlussdrittel von „Fuck Off Get Free“, wo über verzerrten
Gitarren und strammen Schlagzeug, hymnische Ge(i)genmelodien versuchen
dem Lärm zu entkommen und ein großartig gesetzter Chor die Zeile „Hold
me under bright water, never let us end“ haucht.
Alles Walzer
„Little Ones Run“, der kürzeste und leiseste Song (Piano und
Kontrabass) auf dem Album, präsentiert sich als zartes Wiegenlied mit
Hang zur Apokalypse: „Wake up darling the moon is gone / The sky's a
mess and falling down.“ Darauf folgt, das bereits ausführlich zitierte
„What We Loved Was Not Enough”, das sich mit einem simplen Orgelton
beginnend zwei freudvoll ekstatischen Crescendi entgegenwalzt, wieder
bricht und Platz für feinere Zwischentöne schafft. Im Refrain treffen
sich die Linien von Geigen, Gitarre und Bass, wo sie nur mehr als eine
wuchtige Bewegung wahrnehmbar sind, nur um sich dann wieder zu
verstreuen und motivisch zu umspielen.
Für immer Punk
Das Album schließt mit einer pophistorischen Referenz und einer
großen Verneigung vor politisch radikaler Musik: „Rains Thru The Roof At
Thee Grande Ballroom (For Capital Steez)“. Im Grande Ballroom nahmen
1968 MC5 ihr Debut-Album „Kick out the Jams“ auf und legten damit jenen Samen, dem der rülpsende und furzende Dornbusch namens Punk entwachsen sollte. Capital STEEZ, 19-jähriger Pro Era MC
aus Brooklyn, sprang an Weihnachten 2014 vom Dach des Cinematic Music
Group Hauptquartiers in den Tod. Menuck erzählt, dass die Nummer genauso
gut für Poly Styrene, 2011 verstorbene Sängerin von X-Ray Spex
sein könnte, die die Einleitung zu „Take Away These Early Graves“
spricht. An diese Verbeugung vor diesen politisch engagierten
Musikerinnen und Musikern ist natürlich auch die Aufforderung geknüpft,
Pop als politische Maschine und nicht nur als ein Entertainment-Vehikel
unter zig anderen zu begreifen.
Wer Musik mag, die bereit ist sich emotional, ästhetisch und auch
politisch zu exponieren und keine Angst hat sich angreifbar zu machen,
der/dem haben die Menschen vom Silberberg ein unfassbares schönes
Geschenk gemacht
Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra - Fuck Off Get Free We Pour
Light On Everything, Constellation Records 2014, CD/LP/MP3/FLAC
PS: SMZ klingen nicht nur super auf Platte, sondern sind auch ein
fantastische Live-Band. Da kann man echt alle fragen, zum Beispiel
Leute, die bei der 2012 Ausgabe des Bluebird Festivals waren. Vielen
hat es so gut gefallen, dass sie am zweiten März in die Brut gehen, um
sich das wieder zu geben. Nochmal zum Mitschreiben/Copy&Pasten: Thee
Silver Mt. Zion Memorial gastieren am Sonntag, dem 2. März in der Brut Wien.
Erschienen auf TheGap.at.