Dienstag, 25. Februar 2014

Wut. Und Trauer.

Ein Albumtitel irgendwo zwischen gerecktem Mittelfinger, Faustschlag und dem ausgestrecktem Finger Gottes - und ein Album, das genauso so klingt. SMZ präsentieren sich und auf ihrem achten Release mit alten Tugenden und neuem Elan. Aggression und Wut treten Depression und Trauer gleichrangig gegenüber. 

Bild: 1d3dbb9095.jpg
SMZ am Bluebird 2012. BILD: Armin Rudelstorfer
 “We live on the island called Montreal, and we make a lot of noise … because we love each other!” Gesprochen wird diese am Anfang des Albums platzierte Zeile von Ezra, dem vierjährigen Sohn der Bandmitglieder Jessica Moss und Efrim Menuck. Man kann sich eigentlich kein besseres Intro vorstellen, nicht weil Kinder sowieso süß sind, sondern weil es bereits pointiert zusammenfasst, was in den nächsten knapp fünfzig Minuten passieren wird. 

„we live on the island called Montreal”
Selbst wenn Montreal geografisch korrekt nicht einmal eine Halbinsel ist, musikalisch ist es die Stadt mit dem Ausnahmelabel Constellation Records auf jeden Fall. Eine Insel der Seligen ist es aber genauso viel oder wenig, wie andere Metropolen auch. „Die Rolle von Kultur in Montreal unterscheidet sich vielleicht nicht so sehr von der in anderen westlichen Großstädten. In Punkto Widerstand war es dagegen immer ein Ort an dem es für die Menschen einfach war ihren Unmut über die Art und Weise, wie die Dinge laufen, auszudrücken“, sagt Efrim Menuck.  

„we make a lot of noise“
Und ja, sie machen eine Menge Lärm. Seit den Anfängen http://youtu.be/0fg08Hjwdo0ist der Sound mittlerweile rauer, gleichzeitig aber wärmer und emotional ambivalenter geworden. „Es gab dieses langsame hinstolpern zu diesem irgendwie verzerrten, freudvollen Lärm und es fühlt sich für mich so an, als wären wir diesbezüglich an einem guten Ort angekommen. Wir sind diesem Sound viele Jahre lang gefolgt und seit kurzem fühlt es sich so an als wären wir nahe dran ihn zu finden.“ 

„because we love each other“
Tja, und dann noch das mit der Liebe. Das kann man ihnen einfach mal glauben. Es ist vielleicht auch jener Punkt, der das aktuelle vom letzten Album – „Kollaps Tradixionales“, 2010 – absetzt. Wie Menuck selbst andeutet, ist das Album persönlicher ausgefallen: “Bevor ich ein Kind hatte, war es sehr leicht für mich fatalistisch zu sein aber diese Verzweiflung ist nun Wut gewichen. “What We Loved Was Not Enough” entstand aus dieser Position heraus - als ein Vater”, sagt Menuck. Das findet auch musikalisch seinen Widerhall. Das Album baut auf dem Vorgänger auf, ist aber Phasenweise heller und auch aggressiver. Das mit der dritten Platte proklamierte Credo „This Is Our Punk-Rock“ schimmert diesmal besonders strahlend durch die verzerrten Gitarrenwände, sozipolitischen Gewitterwolken und den erstickenden Nebel der Geworfenheit, der unser Leben oftmals einhüllt. 

Endzeitverstimmung
Auf die Zeilen von Ezra im Opener „Fuck Off Get Free (For The Island Of Montreal)“ folgt nicht das typische, langsame Etablieren von Motiven, sondern ein direkter Einstieg der gesamten Band in einen überraschend selbstbewussten Track.
Die zentralen Motive des Albums sind Hoffnungslosigkeit und die politische Anleitung zu dieser, die unsere Welt als die einzig mögliche Alternative ausgibt. Besonders deutlich wird diese Überzeugung in dem vierzehnminütigen Stück mit dem politisch hellhörigen Titel „Austerity Blues“ .
Dazu mischt sich als weiteres Motiv die Überzeugung, dass die westliche Zivilisation drauf und dran ist sich zu zerstören: „There'll be war in our cities / And riots at the mall / Blood on our doorsteps / And panics at the ball / All our cities gonna burn / All our bridges gonna snap / All our pennies gonna rot / Lightning roll across our tracks / All our children gonna die”, heißt es etwa in “What We Want Was Not Enough”.  Nicht aber ohne vage versöhnlich zu schließen: “Tonight is yours, the lights are yours / If you'd just ask for more than poverty and war”.

Hoffnung und Hoffnungslosigkeit
Dieser textlichen Ambivalenz aus Hoffnung und ihrer Abwesenheit wird mit einer musikalischen begegnet. Auch die Musik bewegt sich in einem solchen Spannungsfeld aus Freude und Trauer und oft genug gelingt es sie zu vereinen: Bittersüße Melodien und Motivwechsel sind die Mittel der Wahl. Aber auch Text und Musik verhalten sich wechselseitig ambivalent, unterstützen oder kontrastieren einander. Besonders deutlich wird das etwas im Schlussdrittel von „Fuck Off Get Free“, wo über verzerrten Gitarren und strammen Schlagzeug, hymnische Ge(i)genmelodien versuchen dem Lärm zu entkommen und ein großartig gesetzter Chor die Zeile „Hold me under bright water, never let us end“ haucht. 

Alles Walzer
„Little Ones Run“, der kürzeste und leiseste Song (Piano und Kontrabass) auf dem Album, präsentiert sich als zartes Wiegenlied mit Hang zur Apokalypse: „Wake up darling the moon is gone / The sky's a mess and falling down.“ Darauf folgt, das bereits ausführlich zitierte „What We Loved Was Not Enough”, das sich mit einem simplen Orgelton beginnend zwei freudvoll ekstatischen Crescendi entgegenwalzt, wieder bricht und Platz für feinere Zwischentöne schafft. Im Refrain treffen sich die Linien von Geigen, Gitarre und Bass, wo sie nur mehr als eine wuchtige Bewegung wahrnehmbar sind, nur um sich dann wieder zu verstreuen und motivisch zu umspielen. 

Für immer Punk
Das Album schließt mit einer pophistorischen Referenz und einer großen Verneigung vor politisch radikaler Musik: „Rains Thru The Roof At Thee Grande Ballroom (For Capital Steez)“. Im Grande Ballroom nahmen 1968 MC5 ihr Debut-Album „Kick out the Jams“ auf und legten damit jenen Samen, dem der rülpsende und furzende Dornbusch namens Punk entwachsen sollte. Capital STEEZ, 19-jähriger Pro Era MC aus Brooklyn, sprang an Weihnachten 2014 vom Dach des Cinematic Music Group Hauptquartiers in den Tod. Menuck erzählt, dass die Nummer genauso gut für Poly Styrene, 2011 verstorbene Sängerin von X-Ray Spex sein könnte, die die Einleitung zu „Take Away These Early Graves“ spricht. An diese Verbeugung vor diesen politisch engagierten Musikerinnen und Musikern ist natürlich auch die Aufforderung geknüpft, Pop als politische Maschine und nicht nur als ein Entertainment-Vehikel unter zig anderen zu begreifen.
Wer Musik mag, die bereit ist sich emotional, ästhetisch und auch politisch zu exponieren und keine Angst hat sich angreifbar zu machen, der/dem haben die Menschen vom Silberberg ein unfassbares schönes Geschenk gemacht

Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra - Fuck Off Get Free We Pour Light On Everything, Constellation Records 2014, CD/LP/MP3/FLAC

PS: SMZ klingen nicht nur super auf Platte, sondern sind auch ein fantastische Live-Band. Da kann man echt alle fragen, zum Beispiel Leute, die bei der 2012 Ausgabe des Bluebird Festivals waren. Vielen hat es so gut gefallen, dass sie am zweiten März in die Brut gehen, um sich das wieder zu geben. Nochmal zum Mitschreiben/Copy&Pasten: Thee Silver Mt. Zion Memorial gastieren am Sonntag, dem 2. März in der Brut Wien.

Erschienen auf TheGap.at.