Mittwoch, 25. September 2013

Meeting people is easy

Das Kaffeehaus wird zum Schmelztiegel neuer Ideen und ein Ort an dem Fremde zu Freunden werden. Klingt retro und so gar nicht nach Wien im 21. Jahrhundert? Die Vienna Coffeehouse Conversations versuchen sich dennoch daran.

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BILD: Vienna Coffeehouse Conversations
Gerade im Internet beklagt die Sozialwissenschaft gerne die Segmentierung der Medienöffentlichkeit: Blogs und auch Online-Magazine würden dazu beitragen, dass Menschen weltweit nur mehr jene Meinungen und Nachrichten lesen, die ihren eigenen weitgehend entsprechen würden, sagen wir Filterblase dazu. Ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs könne so aber nur mehr schwer organisiert werden. Das kennt man aber auch abseits virtueller Texte, denn genauso wie die Medien ist auch die Freizeit zergliedert – das nennt man dann aber meist Szenen: Freizeit verbringt man dann auch meistens in den selben Bars, Clubs und sonstigen Lokalitäten, wo man dann auch mit den Leuten redet, die man schon kennt oder Menschen kennen lernt, die dann ohnehin den halben Freundeskreis kennen, sagen wir Egoblase dazu. 

Wien ist dann vielleicht auch obendrein nicht die Stadt in der man leicht wildfremde Menschen kennenlernt und jeder offen mit allen anderen tratscht und beschwingten Smalltalk führt. Man sitzt eher mit den engsten Vertrauten konspirativ im Caféhaus, wo es dann ans Eingemachte geht. Natürlich lässt sich auch heiße Luft vakuumieren – metaphorisch, nicht physikalisch. Die Vienna Coffeehouse Conversations  bedienen sich vor allem am Nimbus des Caféhauses als Ort tiefschürfender Gespräche. Wenn man darüber nachdenkt, wer zur Blütezeit der Caféhauskultur um die Jahrhundertwende mit wem im Caféhaus saß, scheint das nur konsequent. 

Die Dinner-Conversations, eigentlich eine englische Erfindung, werden quasi in das Herz Wiens, das Kaffeehaus implantiert, um dort als Schrittmacher für Gespräche zu fungieren. Die Idee, erklärt Eugene Quinn, Journalist aus London und einer der Köpfe hinter der Kreativengruppe Space and Place, ist denkbar einfach: Zwei Fremde lernen einander beim Essen kennen. Ursprünglich veranstaltete Space and Place die Tischgespräche auf Deutsch, zum Beispiel im Wienmuseum, wo man Menschen aus Minderheitengruppen, aber auch ganz normale Wiener und Wienerinnen einlud. Die englischsprachige Variante, habe man gewählt, um Wien auch für den Rest der Welt zu öffnen, sagt Eugene.

Was bedeutet das Kaffeehaus für dich?
Kaffeehäuser sind das Beste an Wien. Zeitlosigkeit, Ruhe, gute internationale Zeitungen und immer interessante Menschen, die man gern kennen lernen würde. Kaffeehäuser sind im Grunde hochgradig unkommerzielle Plätze und so etwas ist im Jahr 2013 gar nicht so leicht zu finden. In ein paar der besten Cafés - Braunerhof, Engländer, Phil, Heumarkt - stößt man auch heute noch immer auf den Geist der Wiener Jahrhundertwende, als die Stadt noch vom Rauschen neuer Ideen erfüllt war: Musik, Kunst, Architektur und auch Psychoanalyse. Wien war damals viel moderner als jetzt. Die Schöpfer dieser Ideen alle versammelt in den Caféhäusern – in welches man ging, sagte viel darüber aus, wer man war. Wir würden gern diesen Sinn für das Abenteuerliche, Dinge anders zu denken, beleben.

Damit die Gesprächsthemen garantiert nicht ausgehen, gibt es ein „conversation-menu“. Habt ihr die Fragen speziell für Wien adaptiert?
Die Fragen stammen ja von Theodore Zeldin, er ist Historiker an der Oxford University. Er ist davon überzeugt, dass wir im 21. Jahrhundert einfach extrem viele banale Gespräche führen. Sein conversation-menu soll dem entgegentreten. Die Fragen stammen aus seinem Buch „An Intimate History of Humanity“. Es erzählt aus einer globalen Perspektive wie sich persönliche Beziehungen in unterschiedlichen Regionen, Epochen und Kulturen entwickelt haben. Wir haben die Fragen erstmals ins Deutsche übersetzt, was gar nicht so einfach war. Abgesehen davon sind sie aber unverändert. 

Was verbindet die Menschen die zu den Gesprächen kommen?
Ich denke, das ist die Neugierde für hippe, neue Dinge. Diesen Trend bezüglich „Social Dining“, gibt es bereits seit ein paar Jahren: Andere intelligente Menschen in gemütlicher Atmosphäre zu treffen. Ich denke gerade im digitalen Zeitalter, gibt es ein neues Bedürfnis nach Verbindung und Kontakt in der echten, analogen Welt. Natürlich auch dafür, sich weiterzuentwickeln. Fragen wie „Welche Phase deines Lebens waren Zeitverschwendung?“ oder „Wie wichtig ist dir Geld?“ werden selten gestellt. Werden sie gestellt, geht man mit einem neuen Blick auf das eigene Leben und neuen Gedanken dazu nach Hause. Das sind die Gedanken und Überlegungen, die einem wie Schauer über den Rücken laufen. 

Woher kommen die englischsprachigen Teilnehmer?
Viele Leute, die zu uns kommen haben über uns in der New York Times, dem Guardian oder im Condé Nast Traveller als etwas Neues oder Ausgefallenes in Wien gelesen. Wir haben daher immer ein paar Touristen, aber ein Großteil der internationalen Leute leben in Wien und arbeiten für Institutionen, wie die UNO, die IAEA oder die OPEC. Andere sind hier um Konferenzen zu besuchen. 

Wie stellt ihr die Gespräche zusammen?
Zu viele Menschen treffen immer nur Menschen mit den gleichen Ansichten. Wir hoffen die Dinge etwas aufzumischen. Bei der Paarung der Gesprächspartner, ist das Konzept, mit jemanden zu sprechen, der möglichst anders ist, als man selber. Man soll überrascht sein und die Welt aus einer anderen Perspektive kennen lernen. Wir hoffen dabei natürlich auf ein richtiges Feuerwerk und manchmal passiert es dann auch. Das ist aber immer ein zivilisierter Austausch, mehr intelligent als aggressiv. 

Welche Rolle spielt das essen bei diesen Gesprächen?
Ich glaube das Essen ist eigentlich gar nicht wichtig. Gemeinsam zu essen ist angenehm, weil es entschleunigt, aber es ist tatsächlich auch teilweise eine Ablenkung. Anstatt nur einem Menü bieten wir jetzt auch unterschiedliche Menüs an – eines davon ist einfach Kaffee und Kuchen. Wir wollen den Eintritt für die Coffeehouse Conversations so niedrig wie möglich halten, damit niemand davon abgehalten wird vorbeizukommen. 

Was bestellst du selber normalerweise im Kaffeehaus?
Immer einen großen Schwarzen. Das Leben sollte so kraftvoll und stimulierend wie nur irgend möglich sein.

Das nächste Mal finden die Coffeehouse Conversations am 18.10 und 22.11 im Café Ministerium statt. Anmelden kann man sich über die Homepage.

Erschienen auf TheGap.at.