Das Kaffeehaus wird zum Schmelztiegel neuer Ideen
und ein Ort an dem Fremde zu Freunden werden. Klingt retro und so gar
nicht nach Wien im 21. Jahrhundert? Die Vienna Coffeehouse Conversations
versuchen sich dennoch daran.
| BILD: Vienna Coffeehouse Conversations |
Gerade im Internet beklagt die Sozialwissenschaft gerne die
Segmentierung der Medienöffentlichkeit: Blogs und auch Online-Magazine
würden dazu beitragen, dass Menschen weltweit nur mehr jene Meinungen
und Nachrichten lesen, die ihren eigenen weitgehend entsprechen würden,
sagen wir Filterblase dazu. Ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs könne
so aber nur mehr schwer organisiert werden. Das kennt man aber auch
abseits virtueller Texte, denn genauso wie die Medien ist auch die
Freizeit zergliedert – das nennt man dann aber meist Szenen: Freizeit
verbringt man dann auch meistens in den selben Bars, Clubs und sonstigen
Lokalitäten, wo man dann auch mit den Leuten redet, die man schon kennt
oder Menschen kennen lernt, die dann ohnehin den halben Freundeskreis
kennen, sagen wir Egoblase dazu.
Wien ist dann vielleicht auch obendrein nicht die Stadt in der man
leicht wildfremde Menschen kennenlernt und jeder offen mit allen anderen
tratscht und beschwingten Smalltalk führt. Man sitzt eher mit den
engsten Vertrauten konspirativ im Caféhaus, wo es dann ans Eingemachte
geht. Natürlich lässt sich auch heiße Luft vakuumieren – metaphorisch,
nicht physikalisch. Die Vienna Coffeehouse Conversations
bedienen sich vor allem am Nimbus des Caféhauses als Ort
tiefschürfender Gespräche. Wenn man darüber nachdenkt, wer zur Blütezeit
der Caféhauskultur um die Jahrhundertwende mit wem im Caféhaus saß,
scheint das nur konsequent.
Die Dinner-Conversations, eigentlich eine englische Erfindung, werden
quasi in das Herz Wiens, das Kaffeehaus implantiert, um dort als
Schrittmacher für Gespräche zu fungieren. Die Idee, erklärt Eugene
Quinn, Journalist aus London und einer der Köpfe hinter der
Kreativengruppe Space and Place,
ist denkbar einfach: Zwei Fremde lernen einander beim Essen kennen.
Ursprünglich veranstaltete Space and Place die Tischgespräche auf
Deutsch, zum Beispiel im Wienmuseum, wo man Menschen aus
Minderheitengruppen, aber auch ganz normale Wiener und Wienerinnen
einlud. Die englischsprachige Variante, habe man gewählt, um Wien auch
für den Rest der Welt zu öffnen, sagt Eugene.
Was bedeutet das Kaffeehaus für dich?
Kaffeehäuser sind das Beste an Wien. Zeitlosigkeit, Ruhe, gute
internationale Zeitungen und immer interessante Menschen, die man gern
kennen lernen würde. Kaffeehäuser sind im Grunde hochgradig
unkommerzielle Plätze und so etwas ist im Jahr 2013 gar nicht so leicht
zu finden. In ein paar der besten Cafés - Braunerhof, Engländer, Phil,
Heumarkt - stößt man auch heute noch immer auf den Geist der Wiener
Jahrhundertwende, als die Stadt noch vom Rauschen neuer Ideen erfüllt
war: Musik, Kunst, Architektur und auch Psychoanalyse. Wien war damals
viel moderner als jetzt. Die Schöpfer dieser Ideen alle versammelt in
den Caféhäusern – in welches man ging, sagte viel darüber aus, wer man
war. Wir würden gern diesen Sinn für das Abenteuerliche, Dinge anders zu
denken, beleben.
Damit die Gesprächsthemen garantiert nicht ausgehen, gibt es ein
„conversation-menu“. Habt ihr die Fragen speziell für Wien adaptiert?
Die Fragen stammen ja von Theodore Zeldin, er ist Historiker an der
Oxford University. Er ist davon überzeugt, dass wir im 21. Jahrhundert
einfach extrem viele banale Gespräche führen. Sein conversation-menu
soll dem entgegentreten. Die Fragen stammen aus seinem Buch „An Intimate
History of Humanity“. Es erzählt aus einer globalen Perspektive wie
sich persönliche Beziehungen in unterschiedlichen Regionen, Epochen und
Kulturen entwickelt haben. Wir haben die Fragen erstmals ins Deutsche
übersetzt, was gar nicht so einfach war. Abgesehen davon sind sie aber
unverändert.
Was verbindet die Menschen die zu den Gesprächen kommen?
Ich denke, das ist die Neugierde für hippe, neue Dinge. Diesen Trend
bezüglich „Social Dining“, gibt es bereits seit ein paar Jahren: Andere
intelligente Menschen in gemütlicher Atmosphäre zu treffen. Ich denke
gerade im digitalen Zeitalter, gibt es ein neues Bedürfnis nach
Verbindung und Kontakt in der echten, analogen Welt. Natürlich auch
dafür, sich weiterzuentwickeln. Fragen wie „Welche Phase deines Lebens
waren Zeitverschwendung?“ oder „Wie wichtig ist dir Geld?“ werden selten
gestellt. Werden sie gestellt, geht man mit einem neuen Blick auf das
eigene Leben und neuen Gedanken dazu nach Hause. Das sind die Gedanken
und Überlegungen, die einem wie Schauer über den Rücken laufen.
Woher kommen die englischsprachigen Teilnehmer?
Viele Leute, die zu uns kommen haben über uns in der New York Times,
dem Guardian oder im Condé Nast Traveller als etwas Neues oder
Ausgefallenes in Wien gelesen. Wir haben daher immer ein paar Touristen,
aber ein Großteil der internationalen Leute leben in Wien und arbeiten
für Institutionen, wie die UNO, die IAEA oder die OPEC. Andere sind hier
um Konferenzen zu besuchen.
Wie stellt ihr die Gespräche zusammen?
Zu viele Menschen treffen immer nur Menschen mit den gleichen
Ansichten. Wir hoffen die Dinge etwas aufzumischen. Bei der Paarung der
Gesprächspartner, ist das Konzept, mit jemanden zu sprechen, der
möglichst anders ist, als man selber. Man soll überrascht sein und die
Welt aus einer anderen Perspektive kennen lernen. Wir hoffen dabei
natürlich auf ein richtiges Feuerwerk und manchmal passiert es dann
auch. Das ist aber immer ein zivilisierter Austausch, mehr intelligent
als aggressiv.
Welche Rolle spielt das essen bei diesen Gesprächen?
Ich glaube das Essen ist eigentlich gar nicht wichtig. Gemeinsam zu
essen ist angenehm, weil es entschleunigt, aber es ist tatsächlich auch
teilweise eine Ablenkung. Anstatt nur einem Menü bieten wir jetzt auch
unterschiedliche Menüs an – eines davon ist einfach Kaffee und Kuchen.
Wir wollen den Eintritt für die Coffeehouse Conversations so niedrig wie
möglich halten, damit niemand davon abgehalten wird vorbeizukommen.
Was bestellst du selber normalerweise im Kaffeehaus?
Immer einen großen Schwarzen. Das Leben sollte so kraftvoll und stimulierend wie nur irgend möglich sein.
Das nächste Mal finden die Coffeehouse Conversations am 18.10 und
22.11 im Café Ministerium statt. Anmelden kann man sich über die Homepage.
Erschienen auf TheGap.at.