Wenn Musiker ans Theater gehen, sind es nicht nur die Toten Hosen, die
an der Burg ein Konzert spielen. Die wenigsten aber inszenieren dort
selbst wie Schorsch Kamerun. Die meisten machen einfach nur Musik –
viele lässt das Theater dann nicht mehr los.
| Gustav / Eva Jantschitsch BILD: Reinhard Werner |
Ende November lässt Eva Jantschitsch
wieder die Puppen tanzen. Genauer gesagt werden die Wiener
Praterkasperl die Puppen von Gerhard Haderer zu den Stimmen von Maschek
und zur Musik von Eva Jantschitsch, auch bekannt unter ihrem Alias
Gustav, tanzen lassen. »Bye-Bye, Österreich!« heißt der Abend im Wiener
Rabenhoftheater, der alles andere als einen Erstkontakt mit der Bühne
darstellt. Das Theater war viel mehr einer der Gründe für ihren Umzug
nach Wien: »Ich habe zwei, drei Jahre zuerst bei freien Gruppen
hospitiert und später Regieassistenz gemacht. Als ich dann visuelle
Medienkunst studiert habe, hatte ich dann jahrelang nichts damit zu
tun.«
Im Zuge ihrer Soundarbeiten ist sie dann als Musikerin und
Komponistin wieder am Theater gelandet. In »Der Alpenkönig und der
Menschenfeind« an der Burg spielt sie nicht nur selbst, sondern
dirigiert auch acht Musiker. »Es gibt aber auch Produktionen, wo es
nicht notwendig ist, ständig vor Ort zu sein und man Playbacks autonom
erarbeitet, erst zur letzten Probephase einfliegt und nach der Premiere
wieder nach Haus fährt«, führt sie das Spektrum ihrer Arbeit am Theater
aus.
Für Sofa Surfer und I-Wolf Wolfgang
Schlögl, war es gerade die Aussicht, nicht mehr ständig herumfliegen zu
müssen, die ihn an die Bühne lockte: »Meine Tochter war damals sieben
Monate alt und ich kam gerade von einer zweimonatigen Tour zurück. Da
hat mich die Kleine drei, vier Tage lang nicht erkannt. Das war sicher
so ein Initialmoment, wo man als junger Vater beginnt nachzudenken:
Willst du irgendwelchen diffusen Welteroberungsplänen nachhängen oder
willst du beim Aufwachsen deines Kindes dabei sein?« Wolfgang Schlögl
erzählt, dass er ohne diese Engagements am Theater wohl ohnehin die
Popmusik mit einem seriösen Job hätte eintauschen müssen, um samt
Familie über die Runden zu kommen. So wie ihm geht es einigen. Das
Theater ist in Österreich für Musiker ein zweiter Karriereweg. Extrem
viele kommen dort zwar nicht unter, aber doch zu viele, um es als
Möglichkeit zu ignorieren.
Im Bauch des Wals
Natürlich ist Geld nicht der einzige Grund, um am Theater anzuheuern.
Die Engagements sind nicht per se gut dotiert. Gagen variieren ja nach
Haus und Produktion. Gerade bei freien Bühnen lässt sich mit Theater
allein oft kein Lebensunterhalt bestreiten. Doch auch dort, wo
finanzielle Anreize gering oder nicht vorhanden sind, schlägt die Arbeit
am Theater Musiker in ihren Bann. Eva Jantschitsch beschreibt es so:
»Es ist ein wabernder Zustand, in dem man sich permanent gegenseitig
befruchten kann.« Wolfgang Schlögl: »Ich finde es einfach sehr spannend,
Teil einer größeren Maschinerie, die eben aus Bühnenbild, Dramaturgen,
Ausstattern, Regisseur und Schauspielern besteht, zu sein, um eine
Geschichte zu erzählen. Das Theater als Maschine, die Arbeit dort wie
auf einer Bohrinsel«. So fasst er die vier Monate Proben zu Matthias
Hartmanns Tolstoi-Adaption von »Krieg und Frieden« zusammen.
Gerade in arbeitsintensiven Endprobenphasen wird das Theater immer
mehr zur primären Lebenswelt. Das Theater wird zum Wal, der seine
Protagonisten erst am Premierenabend wieder ausspuckt. Meist etwas
mitgenommen. Weder Endproben-Stress noch Premierenapplaus,
Premierenfeier oder der langsame Stress-Abbau nachher gehen spurlos an
einem vorüber. Das ist wohl eine der wenigen sich regelmäßig
wiederholenden Dynamiken im Theaterbetrieb.
Theater goes Pop
Dass Musiker aus dem Pop-Umfeld am Theater andocken, ist nicht neu.
Ein Trend zwar, wie Eva Jantschitsch meint, aber einer, der bereits in
70ern begonnen habe, unter anderem mit den Einstürzenden Neubauten. Eva
Jantschitsch und Wolfgang Schlögl befinden sich als Musiker am Theater
auch in namhafter Gesellschaft: 1000Robota, Chicks On Speed, Die
Goldenen Zitronen, Hans Platzgumer, Kante oder Mouse On Mars, um nur
einige zu nennen. Ob es sich bei solchen Engagements bloß um
Promotion-Vehikel handelt, lässt sich nicht nur an der Qualität der
Arbeiten erkennen, sondern auch daran, ob sich eine fortgesetzte
Zusammenarbeit ergibt oder nicht.
Es ist zudem ein Indiz dafür, dass Hoch- und Subkultur schon länger
durchlässig sind und sich immer wieder Anknüpfungspunkte ergeben: Eben
Menschen, die unabhängig von ihrer Szene neugierig aufeinander sind.
»Man darf ja nicht vergessen, Intendanten sind nicht immer nur alte,
grauhaarige Männer mit dicken Bäuchen, sondern wollen in ihren Theatern
auch eine gewisse Lebensrealität gespiegelt sehen. Dazu holt man sich
natürlich auch immer Leute in diese Tempel und diese Museen, die abseits
dieser Parallelwelt leben«, so Gustav.
Tarkovsky und Nestroy
Arbeit am Theater ist immer Arbeit am Text. Für Musiker heißt das, in
Zusammenarbeit mit der Regie ihre Interpretation zu erstellen. In
letzter Konsequenz eben: Welcher Sound passt zu welcher Passage, welche
Ästhetik zu welchem Stück? »Beim Tarkovsky-Abend in Basel arbeite ich
mit der Lüftung und mach daraus einen psychoakustischen Soundtrack. Der
passt für das Stück. Für Nestroy eher nicht«, erklärt Wolfgang Schlögl.
Genau wie im Film schaffen Musik und Sound auch im Theater den Kontext,
in dem Handlung vorangetragen, Emotionen verhandelt werden.
Genau wie im Film ist Klang äußerst effektiv, um Emotionen zu führen.
»Man kann direkt durch die musikalische Reaktion einen großen Einfluss
auf Inhalte und ihre Rezeption ausüben. Musik relativiert
Wahrnehmungszustände, verändert diese und nimmt immer darauf Einfluss«,
sagt Martin Siewert, Gitarrist der Band Radian. Oft ist er dabei nicht
bloß Theatermusiker, sondern Performer. Es gehe ihm vor allem um
»improvisationsinduzierte Szenarien abseits der normalen musikalischen
Komposition.«
Dadurch rückt die Musik näher an das Geschehen auf der Bühne, ist
weniger akustischer Hintergrund. Das spontane Zusammenspiel würde sich
aber noch immer grundlegend von einer Konzertsituation unterscheiden. Im
klassischen Theaterbetrieb bleibt diese Freiheit, Spielsituationen und
Grenzen ausloten, meist nur den Schauspielern vorbehalten. »Es geht
nicht so sehr darum, sich künstlerisch auszuleben. Meine
Bühnenpersönlichkeit ist da nicht gefragt, sondern letzten Endes vor
allem mein handwerkliches Geschick«, erzählt Eva Jantschitsch. Es gelte
die Visionen der Regie umzusetzen. Reibungsflächen sind da, Theater
immer auch ein Kompromiss. Einer, mit dem sich leben und arbeiten lässt.
Eva Jantschitsch spielt aktuell in »Der Alpenkönig und der
Menschenfeind« am Burgtheater und ist ab 27. November mit »Bye-bye,
Österreich!« am Rabenhoftheater zu hören.
Wolfang Schlögl spielt zurzeit in »Krieg und Frieden« am
Burgtheater, in »Speed« am Theater in der Josefstadt und in »Kleiner
Mann – was nun?« (mit den Sofa Surfers) am Volkstheater Wien.
Erschienen in thegap 139 und hier.