Freitag, 1. November 2013

Fehler mit System

Handys, Fernseher oder  Waschmaschinen gehen viel zu schnell kaputt und lassen sich  nur schwer reparieren. Muss das wirklich sein?

Im Mai 1940 standen in den USA Frauen für das Trendprodukt der Saison Schlange. Das Objekt der Begierde: Nylonstrümpfe der Firma DuPont. Durchsichtig, hauchzart und reißfest – die Strümpfe wurden binnen kürzester Zeit zum Renner. Frei von Laufmaschen, lösten sie bei ihren Trägerinnen Verzückung aus, bei DuPont hingegen Panik. Weil die Strümpfe sehr haltbar waren, brach der Umsatz des Unternehmens schlagartig ein, als der Markt gesättigt war. So sollten die Chemiker der Firma künftig nur noch Strümpfe entwickeln, die weniger lang hielten.

Produkte mit kurzer Lebensspanne
Dass Produkte entworfen werden, um planvoll kaputt zu gehen, ist in einer wachstumsbasierten Wirtschaft üblich. Denn Wirtschaftswachstum kann es nur geben, wenn Absatzmärkte ungesättigt bleiben. Das geschieht, wenn Produkte ihren Zweck nicht auf Dauer erfüllen.
Für das eingebaute Ablaufdatum in Produkten gibt es einen eigenen Begriff: „geplante Obsoleszenz“. Sepp Eisenriegler, Leiter des Reparatur- und Service-Zentrums R.U.S.Z, hat dazu ein aktuelles Beispiel: „Bei Flachbildfernsehern platzen oft schon nach ein paar Jahren die Kondensatoren auf. Bessere Kondensatoren würden nur ein paar Cent mehr kosten. Damit ließe sich die Lebensspanne eines Geräts von drei auf bis zu zehn Jahre und mehr verlängern.“
Das macht natürlich für die Hersteller dieser Geräte keinen Sinn. Sie verdienen ihr Geld mit dem Verkauf neuer Produkte. Reparaturen rechnen sich für die Produzenten nicht. Die Leitlinien unseres Wirtschaftssystems und nicht das Geschick von Ingenieuren bestimmen die Haltbarkeit unserer Produkte. Möglichst kurze Nutzungszyklen sollen uns dazu bringen, ständig neue Geräte zu kaufen und so unsere Wirtschaft in Gang zu halten. Andere Wirtschaftssysteme geben andere Leitlinien vor: In der ehemaligen DDR war für Waschmaschinen und Kühlschränke eine gesetzliche Lebensdauer von 25 Jahren verordnet.

Umweltzerstörung durch Abfall
Geplante Obsoleszenz ist Ausdruck des Profitstrebens unserer Wirtschaft. Sie beschleunigt natürlich auch den Materialverbrauch. Neue Geräte brauchen in der Produktion vor allem Energie und Rohstoffe – und landen bald auf dem Müll. Das hat enorme soziale und ökologische Folgen. Nur merken wir am wenigsten davon. Den Schaden von diesem Wirtschaften haben vor allem Menschen in den Ländern des Südens und den Schwellenländern. Ihnen bleiben von den kurzen Produktzyklen Umweltzerstörung durch Rohstoffgewinnung und Abfall. Oft sind es Kinder, die auf ghanaischen, indischen oder pakistanischen Müllbergen durch Abbrennen von Kabeln und Extrahieren von Edelmetallen aus Halbleiterplatten in Säurebädern Bunt- und Edelmetall gewinnen. Der entstehende Rauch ist hochgiftig, Säuren versickern im Boden und erreichen über die Nahrungskette die Menschen

Langlebige Waschmaschinen rechnen sich
Es besteht die Möglichkeit, geplante Obsoleszenz zu umgehen. „Als Konsument kann man qualitativ hochwertige Produkte kaufen, die reparierbar sind“, erklärt Eisenriegler. „Die Reparatur von hochwertigen Geräten ist auch wesentlich günstiger als die von billigen.“ Daher lohnt sich der Kauf etwa einer teuren und reparierbaren Waschmaschine längerfristig. „Nur Reiche waschen billig“, sagt Eisenriegler und meint damit, dass eine teure, langlebige Waschmaschine insgesamt günstiger ist als eine Reihe von kurzlebigen. Außerdem verschlingt die Reparatur von Geräten deutlich weniger Ressourcen und Energie als die Herstellung eines neuen Geräts. Freilich sind hochpreisige Produkte nicht immer auch qualitativ hochwertig. Teure Smartphones werden kaum älter als drei Jahre. Bei den Strümpfen von  DuPont seinerzeit handelte es sich um eine Produkt-revolution. Heute hingegen stehen Konsumenten Schlange, um Geräte zu kaufen, die einfach nur ein bisschen moderner sind. Kurze Produktzyklen kurbeln den Absatz ebenso an wie technische Neuerungen: Daher werden etwa bei Smartphones Verschleißteile wie Akkus fix eingebaut. Ein Wechsel des Teils ist oft teurer und komplizierter als eine Neuanschaffung.
Um gegen geplante Obsoleszenz vorzugehen, braucht es neben bewussten Konsumentenentscheidungen auch politische Initiativen und neue Nutzungsmodelle. „Statt eines Smartphones könnte man doch auch eine komplette Dienstleistung anbieten“, meint Claudia Sprinz, Konsumentensprecherin bei Greenpeace. „Ein Handy könnte, so wie früher das Festnetztelefon, vom Betreiber zur Verfügung gestellt werden.“ Eisenriegler kann sich so etwas auch bei Waschmaschinen vorstellen. Der Effekt wäre in beiden Fällen derselbe: Hersteller würden ihre Produkte nicht verkaufen, sondern vermieten. Damit wäre ein Anreiz für langlebigere Geräte geschaffen.

Politische Initiativen sind gefragt
Eisenriegler und Sprinz fordern darüber hinaus politische Initiativen. Es müssen Anreize für die Herstellung langlebigerer Produkte geschaffen werden. Dies könnte etwa durch die Kennzeichnung der Haltbarkeitsdauer geschehen. Um die Nutzungsdauer zu erhöhen, müssen die Geräte leichter zu reparieren und aufzurüsten sein. Und wenn ein Gerät sich nicht mehr reparieren lässt, sollen zumindest seine Bestandteile wiederverwertet werden können. „Hersteller sollten ihre Geräte zurücknehmen müssen“, sagt Claudia Sprinz. „Wenn Produkte so gestaltet werden, dass sie möglichst lange verwendet werden können, und so designt sind, dass sie den Herstellern als Ausgangsbasis für neue Geräte dienen, profitiert nicht nur die Umwelt, sondern ersparen sich auch die Unternehmen durch die Rückgewinnung der Rohstoffe viel Geld. Zudem kann nur so sichergestellt werden, dass auch künftige Generationen noch genügend Ressourcen vorfinden.“