Handys,
Fernseher oder Waschmaschinen gehen viel zu schnell kaputt und lassen
sich nur schwer reparieren. Muss das wirklich sein?
Im Mai 1940 standen in den USA Frauen für das
Trendprodukt der Saison Schlange. Das Objekt der Begierde: Nylonstrümpfe
der Firma DuPont. Durchsichtig, hauchzart und reißfest – die Strümpfe
wurden binnen kürzester Zeit zum Renner. Frei von Laufmaschen, lösten
sie bei ihren Trägerinnen Verzückung aus, bei DuPont hingegen Panik.
Weil die Strümpfe sehr haltbar waren, brach der Umsatz des Unternehmens
schlagartig ein, als der Markt gesättigt war. So sollten die Chemiker
der Firma künftig nur noch Strümpfe entwickeln, die weniger lang
hielten.
Produkte mit kurzer Lebensspanne
Dass Produkte entworfen werden, um planvoll kaputt zu gehen, ist in
einer wachstumsbasierten Wirtschaft üblich. Denn Wirtschaftswachstum
kann es nur geben, wenn Absatzmärkte ungesättigt bleiben. Das geschieht,
wenn Produkte ihren Zweck nicht auf Dauer erfüllen.
Für das eingebaute Ablaufdatum in Produkten gibt es einen eigenen
Begriff: „geplante Obsoleszenz“. Sepp Eisenriegler, Leiter des
Reparatur- und Service-Zentrums R.U.S.Z, hat dazu ein aktuelles
Beispiel: „Bei Flachbildfernsehern platzen oft schon nach ein paar
Jahren die Kondensatoren auf. Bessere Kondensatoren würden nur ein paar
Cent mehr kosten. Damit ließe sich die Lebensspanne eines Geräts von
drei auf bis zu zehn Jahre und mehr verlängern.“
Das macht natürlich für die Hersteller dieser Geräte keinen Sinn. Sie
verdienen ihr Geld mit dem Verkauf neuer Produkte. Reparaturen rechnen
sich für die Produzenten nicht. Die Leitlinien unseres
Wirtschaftssystems und nicht das Geschick von Ingenieuren bestimmen die
Haltbarkeit unserer Produkte. Möglichst kurze Nutzungszyklen sollen uns
dazu bringen, ständig neue Geräte zu kaufen und so unsere Wirtschaft in
Gang zu halten. Andere Wirtschaftssysteme geben andere Leitlinien vor:
In der ehemaligen DDR war für Waschmaschinen und Kühlschränke eine
gesetzliche Lebensdauer von 25 Jahren verordnet.
Umweltzerstörung durch Abfall
Geplante Obsoleszenz ist Ausdruck des Profitstrebens unserer
Wirtschaft. Sie beschleunigt natürlich auch den Materialverbrauch. Neue
Geräte brauchen in der Produktion vor allem Energie und Rohstoffe – und
landen bald auf dem Müll. Das hat enorme soziale und ökologische Folgen.
Nur merken wir am wenigsten davon. Den Schaden von diesem Wirtschaften
haben vor allem Menschen in den Ländern des Südens und den
Schwellenländern. Ihnen bleiben von den kurzen Produktzyklen
Umweltzerstörung durch Rohstoffgewinnung und Abfall. Oft sind es Kinder,
die auf ghanaischen, indischen oder pakistanischen Müllbergen durch
Abbrennen von Kabeln und Extrahieren von Edelmetallen aus
Halbleiterplatten in Säurebädern Bunt- und Edelmetall gewinnen. Der
entstehende Rauch ist hochgiftig, Säuren versickern im Boden und
erreichen über die Nahrungskette die Menschen
Langlebige Waschmaschinen rechnen sich
Es besteht die Möglichkeit, geplante Obsoleszenz zu umgehen. „Als
Konsument kann man qualitativ hochwertige Produkte kaufen, die
reparierbar sind“, erklärt Eisenriegler. „Die Reparatur von hochwertigen
Geräten ist auch wesentlich günstiger als die von billigen.“ Daher
lohnt sich der Kauf etwa einer teuren und reparierbaren Waschmaschine
längerfristig. „Nur Reiche waschen billig“, sagt Eisenriegler und meint
damit, dass eine teure, langlebige Waschmaschine insgesamt günstiger ist
als eine Reihe von kurzlebigen. Außerdem verschlingt die Reparatur von
Geräten deutlich weniger Ressourcen und Energie als die Herstellung
eines neuen Geräts. Freilich sind hochpreisige Produkte nicht immer auch
qualitativ hochwertig. Teure Smartphones werden kaum älter als drei
Jahre. Bei den Strümpfen von DuPont seinerzeit handelte es sich um eine
Produkt-revolution. Heute hingegen stehen Konsumenten Schlange, um
Geräte zu kaufen, die einfach nur ein bisschen moderner sind. Kurze
Produktzyklen kurbeln den Absatz ebenso an wie technische Neuerungen:
Daher werden etwa bei Smartphones Verschleißteile wie Akkus fix
eingebaut. Ein Wechsel des Teils ist oft teurer und komplizierter als
eine Neuanschaffung.
Um gegen geplante Obsoleszenz vorzugehen, braucht es neben bewussten
Konsumentenentscheidungen auch politische Initiativen und neue
Nutzungsmodelle. „Statt eines Smartphones könnte man doch auch eine
komplette Dienstleistung anbieten“, meint Claudia Sprinz,
Konsumentensprecherin bei Greenpeace. „Ein Handy könnte, so wie früher
das Festnetztelefon, vom Betreiber zur Verfügung gestellt werden.“
Eisenriegler kann sich so etwas auch bei Waschmaschinen vorstellen. Der
Effekt wäre in beiden Fällen derselbe: Hersteller würden ihre Produkte
nicht verkaufen, sondern vermieten. Damit wäre ein Anreiz für
langlebigere Geräte geschaffen.
Politische Initiativen sind gefragt
Eisenriegler und Sprinz fordern darüber hinaus politische
Initiativen. Es müssen Anreize für die Herstellung langlebigerer
Produkte geschaffen werden. Dies könnte etwa durch die Kennzeichnung der
Haltbarkeitsdauer geschehen. Um die Nutzungsdauer zu erhöhen, müssen
die Geräte leichter zu reparieren und aufzurüsten sein. Und wenn ein
Gerät sich nicht mehr reparieren lässt, sollen zumindest seine
Bestandteile wiederverwertet werden können. „Hersteller sollten ihre
Geräte zurücknehmen müssen“, sagt Claudia Sprinz. „Wenn Produkte so
gestaltet werden, dass sie möglichst lange verwendet werden können, und
so designt sind, dass sie den Herstellern als Ausgangsbasis für neue
Geräte dienen, profitiert nicht nur die Umwelt, sondern ersparen sich
auch die Unternehmen durch die Rückgewinnung der Rohstoffe viel Geld.
Zudem kann nur so sichergestellt werden, dass auch künftige Generationen
noch genügend Ressourcen vorfinden.“