Ich mag euch ja und bin immer sehr dankbar, dass ihr mir ab
und an eure Karre leiht. Ich fahre selber sehr gern Auto und verstehe
sehr gut, warum ihr an den Dingern hängt. Ich bin euch auch nicht mehr
böse, dass ich mit dem Rad schon ein paarmal in euren Dingern hing.
Schwamm drüber, es tut auch nicht mehr weh. Eine FUZO-Polemik.
Das genuin unvernünftige Ding
Stimmt schon, ihr habt die Freiheit, Auto zu fahren. Aber glaubt mir
bitte, dass eine Fußgängerzone nichts mit der Beschneidung eurer
Bürgerrechte zu tun hat. Auf die Idee könnte man nämlich kommen, wenn
ihr euch in euren Kommentaren als die letzten aufrechten Demokraten
stilisiert, wobei ihr als urbane Menschen sehr viele Redneck-Qualitäten
offenbart. Niemand will euch eure Freiheit nehmen, genuin unvernünftige
Dinge zu tun, die nur euch ganz allein betreffen: Ihr könnt weiterhin,
wenn ihr das wollt, vorm Einschlafen einen doppelten Espresso trinken,
Chillipulver schnupfen, den Fön in der Badewanne verwenden oder von mir
aus auch auf LSD Crack rauchen (oh, letzteres ist tatsächlich verboten,
sorry). Euer Autofahren betrifft aber uns alle.
Eure Autos sind eine Umverteilungsmaßnahme von uns zu euch
Wir alle finanzieren euer Autofahren mit. Dabei geht es nicht nur um
Dinge wie Abwrackprämie oder Pendlerpauschale. Wir alle bezahlen auch
die Straßen, die vornehmlich ihr benützt. Klar, die LKWs, die das Zeug,
das ich im Supermarkt oder sonst wo kaufe, liefern, befahren die auch.
Die fahren aber nicht so sinnlos – sorry, ineffizient – durch die Gegend
wie ihr. Wenn das so wäre, gebe es keine Frächter mehr, weil die alle
pleite wären.
Eure Regeln sind für uns sinnlos
Wir sind alle mit Regeln konfrontiert, die es nur gibt, damit ihr
ungestört Autofahren könnt. Ungestört heißt eben auch, ohne uns an- oder
umzufahren. Die Reglementierung öffentlicher Verkehrsflächen ist vor
allem auf eure Bedürfnisse zurückzuführen und nicht auf unsere. Eine
Stadt, in der nur Fußgänger unterwegs sind, würde gar keine Regeln
brauchen, kaum Flächen kennen auf denen man nicht gehen oder stehen
dürfte. Mit Radfahren wird es dann schon etwas komplizierter. Eine
Rechtsregel würde aber wohl reichen und es gäbe noch immer genug Platz,
um zu Fuß oder per Rad ungefährdet und zügig voran zu kommen. Eure Autos
brauchen aber ganz viele Regeln, die uns alle in unseren Freiheiten
beschneiden und zum Stillstand zwingen. Dennoch warten wir meist,
weniger geduldig als ungeduldig, bevor uns eine Lampe erlaubt, jetzt die
Straße überqueren zu dürfen. Von einer „Gleichberechtigung aller
Verkehrsteilnehmer“ zu schwadronieren, wie das Christian Weissinger,
Initiator der Facebook-Seite „Gegen Mariahilferstraßenumbau“, tut, entbehrt in Anbetracht des Ausmaßes des Automobilverkehrs jeglicher Grundlage.
Eure Autos besetzen unseren Lebensraum
Wenig gerecht scheint mir auch, dass Grünflächen im 6. Wiener
Gemeindebezirk (Mariahilf) nur zwei Prozent, Verkehrsflächen (dabei sind
Parkplätze miteingeschlossen) aber 30 Prozent ausmachen – die
entsprechenden Zahlen für den 7. Bezirk (Neubau) liegen bei drei Prozent
bzw. 24 Prozent. Ich benutze die Straßen auch – zu Fuß, mit dem Fahrrad
oder mit Öffis. Dabei brauch ich aber nur temporär einen Bruchteil des
Platzes, den ihr permanent belegt. Auch hier kann man nicht ernsthaft
von Gleichberechtigung sprechen. Eure Karren brauchen allein beim
Rumstehen – was sie ja so gut wie immer tun – schon ca. zehn
Quadratmeter. Ganz ehrlich, das was ihr dafür zahlt, dass ihr unser
aller Lebensraum mit eurem Privatgerümpel zumüllen könnt, ist, gelinde
gesagt, ziemlich lächerlich. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht,
wie man Raum in der Stadt sinnvoller als für Straßen oder Parkplätze
nutzen könnte? Wäre es nicht auch schön, wenn Kinder, die in Neubau
aufwachsen, vom Anblick eines Baumes und nicht eines Autos überrascht
wären? Ja, das war gerade populistisch, aber irgendjemand muss ja auch
mal an die Kinder denken.
Eure Autos schädigen auch unsere urbane Umwelt
Natürlich, es wär auch vernünftig, die Ressourcen, die die
Herstellung und der Betrieb eurer Autos verbrauchen, anderweitig zu
verwenden. Ich bin zwar weit davon entfernt zu behaupten, dass ihr
selbst abgedrückt habt, gebe aber zu bedenken, dass für die
Aufrechterhaltung der Rahmenbedingungen eines „fossilistischen“ – also
auf Erdöl basierenden – Lebensstils Kriege geführt werden. Euer
Autofahren ist ein zentraler Eckpfeiler dessen. Ganz zu schweigen davon,
dass eure Abgase den Klimawandel anheizen. Nicht mit dem Auto fahren,
würde das natürlich verlangsamen. Keines zu besitzen uns Chancen
eröffnen, die Auswirkungen des Klimawandelns abzufedern. Eine davon ist
nämlich ein längerfristiges Ansteigen der Temperaturen in Wien. Dem
lässt sich nicht nur durch die Aufrüstung unsere Gebäude in
stromsaugende Kühltruhen beikommen. Effizienter und ökologischer wäre
es, auf Verdunstungskühle zu setzen. Das funktioniert aber nur, wenn wir
das Wasser im Sommer in der Stadt halten können. Dazu könnte man
Fassaden und Dächer begrünen und dort, wo eure Autos jetzt rumstehen,
Grünflächen schaffen und Bäume pflanzen. Aber da stehen ja eure Autos
rum, weshalb wir eben einfach alle ein bisschen mehr schwitzen. Aber
klar, eure Autos haben eh bereits jetzt eine Klimaanlage – und
verbrennen so noch ein bisschen mehr Sprit.
Eure Autos sind ein Sicherheitsrisiko – sie töten uns und euch selbst
Physik find ich des Weiteren auch ungerecht, vor allem den Teil mit
„T=1/2mv²“. Das heißt nämlich, dass kinetische Energie von der Masse und
von der Geschwindigkeit zum Quadrat dieser abhängt. Da Fahrradfahrer
tendenziell etwas leichter und langsamer sind, als ihr es in euren Autos
seid (und auch keine Knautschzone haben), schneiden sie im direkten
Duell eher schlecht ab. Fußgänger genauso, habt ihr vielleicht aber
ohnedies schon bemerkt. Und selbst wenn sich Fahrradfahrer „rowdyhaft“
verhalten, haben die nur einen Bruchteil eures Schadenpotentials. 2012
wurden in Wien 265 Fußgänger und 127 Fahrradfahrer schwer verletzt,
diesen stehen 73 schwer verletzte PKW-Lenker gegenüber. Gesamt 24
Personen starben im Wiener Straßenverkehr, darunter 16 Fußgänger, aber
nur (bitte nicht falsch verstehen) zwei PKW-Lenker.
Back to the FUZO
Wenn euch das alles wirklich neu ist, dann lasst die Karre in Zukunft
einfach öfter einmal stehen, und wir reden einfach nicht mehr darüber.
Passt schon. Geht zu Fuß, fahrt mit dem Rad oder nehmt die Öffis. Wenn
ihr das aber eh schon seit Jahren wisst, dann hilft es auch nicht,
öffentlichen Verkehr und Fahrradfahren attraktiver zu machen. Dann ist
das einzige, das funktioniert, euch das Autofahren zu vermiesen. Und das
klappt nun mal am besten, in dem man Verkehrs- und auch Stellflächen
anderen Verkehrsteilnehmern exklusiv zur Verfügung stellt. Sorry Leute,
aber Raum ist in einer so dicht bebauten Stadt wie Wien nun mal
begrenzt, und ihr braucht einfach zu viel davon.
Ob die FUZO in ihrer aktuellen Form der Weisheit letzter Schluss oder
Kurzschluss ist, darüber kann und wird man streiten. Deswegen heißt es
ja aber auch Testphase. Was aber wohl bleiben wird, ist das Fahrverbot
auf der Mariahilferstraße und die Intensität des Verkehrs in den
Parallelstraßen. Natürlich dürft ihr weiterhin darüber jammern, wenn ihr
euch und eure Kumpels permanent zustaut. Aber Leute, für den Stau seid
nur ihr selber mit eurem Verhalten verantwortlich. Die Rahmenbedingungen
werden sich (hoffentlich und vernünftigerweise) nicht mehr zu euren
Gunsten verändern. Seit der Reichsgaragenordnung 1939 galt die
„autogerechte Stadt“ als Leitbild, aber das verblasst mittlerweile
zusehends (oder wurde mittlerweile auch schon von Puber übersprayed,
womit ich nun die beiden großen Sommerthemen zusammengeführt hätte).
Nutzt doch die Testphase und versucht neue Arten der Mobilität für
euch zu entdecken. Solltet ihr selbst Anrainer an einer der
Ausweichstraßen sein, organisiert euch und regt weitere
Verkehrsberuhigungen an, wenn ihr nicht in und an eurem eigenen
Mobilitätsverhalten ersticken wollt. Wahlweise könnt ihr auch gern vor
euch hinsudern und raunzen. Aber ab jetzt bitte still und leise. Über
sechzig Jahre hat das Auto die Stadt dominiert und nun ändert sich das
halt langsam. Deal with it! Die Stadt gehört uns allen und nicht nur
euren Karren.
Erschienen auf BIORAMA.at.