»Happiness is a warm gun«, sangen die Beatles. Glückseligkeit
ist eine Kommission, die sich darum kümmert, weiß man in Bhutan. Geht es
nach zwei Kommunikationsdesign-Studierenden der Hochschule Mannheim,
soll sich jetzt auch in Deutschland ein Ministerium dem Glück annehmen.
| Mininsterium für Glück und Wohlbefinden. BILD: Daniel Clarens |
In den frühen 90ern kam es im Königreich Bhutan zur Vertreibung von
ungefähr 100.000 Angehörigen der nepalesischen Minderheit – damals
immerhin fast ein Fünftel der Bevölkerung. Erst seit 1998 untersteht der
König als Staatsoberhaupt der Autorität des Parlaments. 1999 wurde das
Verbot von Internet und Fernsehen aufgehoben. Politische Parteien sind
erst seit 2007 erlaubt. Seit den Wahlen zum Unterhaus 2008 kann man von
einer Demokratie nach westlichen Standards sprechen.
Es ist also nicht die jüngere Geschichte des Königreichs, die viele
Systemkritiker in der westlichen Welt inspiriert. Vielmehr ist es die
1972 vom vierten Drachenkönig Jigme Singye Wangchuck ausgegebene Losung:
»Das Bruttonationalglück ist wichtiger als das Bruttonationalprodukt.«
Dieser Satz bildet die wirtschaftspolitische Marschroute Bhutans und
spiegelt seine buddhistische Kultur und traditionelle Ausrichtung
wieder: Wirtschafswachstum muss im Einklang mit kultureller Identität
und intakter Umwelt stattfinden, es braucht gutes Regieren und eine
gerechte Wirtschaftsentwicklung. Wachstum ist demnach kein Selbstzweck,
sondern ein Mittel zum Zweck und dieser heißt: ein erfülltes Leben zu
führen.
Überwacht und umgesetzt wird dieses Konzept von der »Kommission für
das Bruttonationalglück«. Diese prüft einerseits, wie sich politische
Entscheidungen auf das Bruttonationalglück auswirken könnten – ähnlich
wie in Europa etwa Umweltverträglichkeitsprüfungen angestellt werden.
Andererseits schickt die Kommission in regelmäßigen Abständen
Interviewer aus, um das Bruttonationalglück zu erheben. Mit dem Ende
letzten Jahres erschienenen Dokumentarfilm »What Happiness Is« kann man
sich davon und von Bhutan ein Bild machen.
Die Frage des Glücks
Ursprünglich aus einer Seminararbeit hervorgegangen, ist das Projekt
»Ministerium für Glück und Wohlbefinden« für Daniel Clarens und Gina
Schöler, beide studieren Kommunikationsdesign an der Hochschule
Mannheim, mittlerweile viel mehr als eine bloße Fingerübung. Inspiriert
von Bhutans Kommission für Bruttonationalglück haben die beiden ihre
Kampagne gestartet: Ziel dieser ist es, unsere grundlegenden Bedürfnisse
wieder ins Zentrum zu rücken und ein Wachstumsparadigma
herauszufordern, das sich vom gesellschaftlichen Wohlergehen abgelöst zu
haben scheint. Über soziale Netzwerke, in Diskussionsrunden und
Filmvorführungen, aber auch in Straßenaktionen thematisieren die beiden
die Frage des Glücks und was es denn überhaupt sein könnte. BIORAMA im
Gespräch mit Gina Schöler.
BIORAMA: Die österreichische Wirtschaftskammer wirbt mit dem
Slogan »Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.« Wie stellt
sich für euch der Zusammenhang von persönlichem und gesellschaftlichem
Wohlergehen dar?
Gina Schöler: Das ist ein Hammer-Slogan – wenn man
ihn umdrehen würde. Die Wirtschaft soll ja immer noch dem Mensch dienen
und nicht andersrum. Das sollte das Ziel von wirtschaftlichem Handeln
sein. Wenn die Grundvoraussetzungen für ein gutes Leben gegeben sind,
geht es uns allen besser. Das gesellschaftliche hat dann auch auf das
persönliche Glück unmittelbare Auswirkung. Andersrum gilt das natürlich
auch: Ich kann bei mir im Alltag beginnen und so mich und mein
unmittelbares Umfeld glücklich(er) machen. Wenn das jeder täte, hätte
das dann auch Auswirkungen auf das gesellschaftliche Wohl. Aber das wäre
wiederum nicht nachhaltig und langanhaltend, wenn die generellen
Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Inwieweit lässt sich ein Konzept wie Bruttonationalglück, das
stark in einem buddhistischen Kontext verwurzelt ist, auf Deutschland
übertragen?
Natürlich kann man das bhutanische Bruttonationalglück nicht 1:1 hier
in Deutschland übernehmen. Die Frage ist ja letztendlich nur, ob das
Bruttoinlandsprodukt der alleinige Faktor zur Wohlstands- bzw.
Wohlbefindensmessung unserer Nation sein kann. Deswegen plädieren wir
für unser Bruttonationalglück, denn so stünden nämlich auch ganz andere
Werte und Wünsche im Vordergrund, und unser Wohlbefinden würde nicht
radikal auf das wirtschaftliche Wachstum reduziert werden.
Einer der Schwerpunkte eurer Kritik scheint mir auf Konsum
und Profitmacherei zu liegen. Greift eine bloße Kritik des
Wirtschaftssystems nicht zu kurz?
Ein Teil unserer Kampagne besteht aus der Frage, was die Menschen
wirklich glücklich macht. Wenn man den Leuten diese Frage stellt,
bekommt man zum Glück ganz selten der dicke Porsche oder die neueste Handtasche
als Antwort. Und genau hier knüpfen wir an: Denn es sind nicht die
materiellen Dinge, die wir brauchen, um ein gutes und erfülltes Leben zu
führen. Wir sollten uns wieder mehr auf uns und unser Miteinander
konzentrieren, in Menschlichkeit und Freundschaft investieren und unsere
kostbare Zeit anders nutzen als von einem Kaufhaus zum anderen zu
hetzen, um uns kurzfristig glücklich zu konsumieren. Es wäre daher auch
wünschenswert, dass das politische System sich wieder etwas mehr auf das
Wohlergehen der Bürger und nicht auf das finanzielle Wohl der
Unternehmen konzentriert. Ein Beispiel hierfür wären eben regelmäßige
und ausführliche Glücksumfragen, welche auch ein guter Weg zu mehr
direkter Demokratie wären.
Es gibt ja auch durchaus Menschen, die behaupten würden, dass
Staat und Staatlichkeit dem Glück diametral entgegenstehen. Ist ein
Ministerium für Glück nicht sogar kontraproduktiv?
Hier geht es in keinster Weise darum, die Menschen zwangszubeglücken.
Das Ministerium für Glück und Wohlbefinden wäre garantiert nicht dafür
zuständig, dass alle permanent glücklich und grinsend durch die Gegend
laufen, das wäre ja schrecklich. Hier geht es auch nicht darum,
Verantwortung für das eigene, persönliche Glück abzugeben und jemand
anderen dafür zuständig zu machen. Es geht darum, auch in der Politik
den Fokus neu zu setzen, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Das Ministerium für Glück und Wohlbefinden würde hier als Impuls- und
Ideengeber dienen, in engem Kontakt mit der Bevölkerung stehen und die
Bedürfnisse ausloten, diese an die Regierung und all die anderen
Ministerien weitergeben und andersrum Entscheidungen von oben
gegenchecken, ob diese mit unserem Wohlbefinden kompatibel sind.
Es gibt ja den Satz: »Drei Leute mit einer guten Idee können
mehr erreichen als Zehntausend auf der Straße.« Könnte man damit die
Idee hinter eurem Projekt beschreiben?
Das könnte zutreffen – wobei »Zehntausend auf der Straße« auch etwas
erreichen können, wenn man sich die aktuelle politische Lage in manchen
Teilen der Welt anschaut. Aber auf uns bezogen kann man durchaus sagen,
dass wir allein durch die Idee an sich, ein Ministerium für Glück und
Wohlbefinden zu gründen, viel Wirbel gemacht und viel Aufmerksamkeit auf
dieses Thema gelenkt haben. Dass wir das Ganze nebenher auch noch
visuell ausarbeiten und grafisch zugänglich machen, scheint in den
Hintergrund gerückt zu sein. Das ist aber auch definitiv okay so. Das
Design und die Kommunikation nach außen transportieren die Idee, und so
sollte es ja auch sein.
Wie schätzt ihr die Wirksamkeit eurer Kampagne ein? Sind
Demos denn nicht noch immer effektiver als experimentelle
Straßenaktionen?
Demos sind groß und laut, sicher auch kurzzeitig sehr medienwirksam.
Das würde aber weder zu uns noch zu dieser Idee passen. Wir haben uns
für eine dezentere und vielleicht zurückhaltendere Variante der
Kommunikation entschieden. Wir möchten keine trockenen Glücks- oder
Politikdiskussionen führen, wir möchten zum Nachdenken, Diskutieren, zum
Mitmachen und natürlich auch zum Lächeln anregen. Und wie erreicht man
das? Indem man die Menschen behutsam und freundlich einlädt, sich mit
diesem Thema zu beschäftigen. Da hat sich herauskristallisiert, dass
Straßenaktionen oder auch Werbematerial der etwas anderen Art die Leute
faszinieren kann und sie neugierig macht.
Wenngleich das Programm von Blockupy deutlich konkreter ist,
geht es doch auch dabei um ein besseres Leben. In der konkreten
Ausdrucksform unterscheidet sich das natürlich deutlich von eurer
Kampagne. Erkennt ihr dabei Parallelen zu eurem Projekt?
Ich sehe hier auf den ersten Blick keinen wirklichen Zusammenhang.
Wir demonstrieren nicht gegen etwas, wir kommunizieren im Untergrund,
stellen Fragen, sind im Dialog mit den Bürgern und machen auch oft
spielerisch auf das Thema aufmerksam: Was macht euch glücklich? Was ist
denn das gute Leben überhaupt und wie können wir es erreichen? Was muss
grundsätzlich überdacht und geändert werden? Von uns – aber auch
natürlich von der Politik. Die Menschen sollen durch unsere Aktionen
aufwachen, aus dem Alltag gerissen werden, nachdenken und mitdiskutieren
– und dabei nebenher auch noch Spaß haben.
Was steht noch weiteres an und wie läuft euer Projekt mittlerweile?
Ganz aktuell haben wir uns persönlich einen kleinen Terminstopp
auferlegt – denn das Abgabedatum rückt näher und wir müssen noch die
eigentliche Dokumentation unserer Kampagne verfassen und gestalten.
Daniel wird dies in Form eines Films tun, ich werde mich an ein Buch
setzen. Der Bedarf und das Interesse an Glück beziehungsweise an einem
Ministerium dafür sind riesig. Feedback und Nachfrage sind enorm. Immer
wieder tun sich neue Ideen und Kooperationsmöglichkeiten auf. Unser
Projekt läuft gerade so wunderbar, weshalb es auch nach unserer
offiziellen Abgabe weitergehen wird. Wir loten gerade aus, wie und in
welcher Konstellation das geschehen kann und sind für jeden Input
dankbar.
Erschienen in Biorama #26 und hier.